Weniger Solidarität, bitte

Wolfgang Storz rät zum kritischen Umgang mit linken Parteien, wenn diese die nationale Karte spielen

  • Lesedauer: 4 Min.

Maybritt Illner hielt Katja Kipping mit maliziösem Lächeln Marine Le Pen vor die Nase: Die Vorsitzende des rechtsradikalen Front National habe das Referendums-Nein der Griechen als eine »schöne und große Lektion in Demokratie« bezeichnet; Le Pen schrieb weiter: »Die Völker sind wieder da.« Was sie dazu sage, dass ihr linker Athener Freund solche Freunde habe. Kipping wischte - aufgrund der Dramaturgie der Talkshow zurecht - die Frage in den Papierkorb, Fans könne man sich nun mal nicht aussuchen.

Natürlich ist dieses geflügelte Wort nicht falsch, reicht aber nur für Alltag und Show. Eine Regierung Tsipras kann sich so verhalten, dass sie falsche Freunde abschreckt - oder einlädt. Wenn nun Rechtspopulisten im Kleinen, siehe Jürgen Elsässer mit seinem wachsenden Umfeld, und im Großen, eben Le Pen, sich freuen und Tsipras und dem griechischen Volk gratulieren, dann drängen sie sich nicht auf. Sie sehen sich als eingeladen: aufgrund des Referendum-Inhaltes und vor allem des Kontextes, in den dieser gestellt war. Das griechische Volk lehnt das Angebot der EU-Verhandler ab - hinter denen, ob es einem passt oder nicht, demokratisch legitimierte Regierungen stehen -, weil es deren Ziel ist, die Griechen zu erniedrigen.

Nicht die tatsächlich grundfalsche Politik stand im Mittelpunkt, sondern das der EU und ihren Regierungen unterstellte Motiv, ein Volk zu demütigen; den unversorgt kranken armen Rentner ebenso wie den Milliardär. Früher wurden so Kriege vorbereitet; dass es die »Bild«-Zeitung mit umgekehrten Vorzeichen nicht anders macht, macht das nicht besser. Dazu passt die Wortwahl des damals noch amtierenden Finanzministers Yanis Varouvakis, es handle sich bei der Gläubigerpolitik um Terrorismus, damit um regierungsamtlich tätige Terroristen in Brüssel; da er das Gegenteil einer bierbäuchigen nationalen Dumpfbacke ist, war dieses Wort gesetzt, fiel also nicht aus Versehen oder in Erregung aus dem Mund.

Wer über einen so eingebetteten Inhalt abstimmen lässt, macht natürlich damit Marine Le Pen eine Freude: Die EU-Apparate saugen die Völker aus, bringen sie um ihre Souveränität, also raus aus der EU, weg mit dem Euro und ein Hoch auf die stolze Volksnation, das ist ihr Programm.

Hätte eine Regierung, die unter der Flagge der Linken segelt, über eine ihr eher gemäße Alternative abstimmen lassen können? Beispielsweise darüber:

»Griechenland will in EU und Eurozone bleiben. Das Land akzeptiert keine Auflagen mehr, welche Arme, Mittelschichten und wirtschaftlichen Mittelstand belasten. Es fordert von der EU weitere Hilfen. Dafür sagt die Regierung Tsipras zu, mit der Hilfe aller demokratischen EU-Staaten innerhalb von zwei Jahren eine Finanz- und Staatsverwaltung aufzubauen, Millionäre, Milliardäre, Oligarchen strikt und hoch zu besteuern, einschließlich der Gelder, die diese bereits ins Ausland gebracht haben. Es ist zudem das Ziel, den immensen Kirchenbesitz an riesigen Ländereien und reichhaltigen Immobilien zu registrieren und höher zu besteuern. Ebenso wird der Militäretat weiter systematisch abgebaut.«

Was wäre dann gewesen? Tsipras hätte vermutlich nur mit Ach und Krach eine Mehrheit bekommen, aber wahrscheinlich dennoch verloren. Seine Koalition mit der rechtspopulistischen Partei »Unabhängige Griechen« wäre ihm um die Ohren geflogen - aber: Es hätten ihm weniger oder gar keine falschen Freunde gratuliert.

In Spanien steht möglicherweise Podemos - nach einer Schwächephase - vor größeren Wahlerfolgen. Die Bewegungspartei gilt als links. Ihr Anführer Pablo Iglesias charakterisiert sich als Marxist. Für ihn sind die Gläubiger der Griechen - zur Erinnerung: dazu zählen fast nur noch demokratisch legitimierte Regierungen - »Tyrannen«. Für ihn ist seine Partei weder links noch rechts, Koalitionen mit der linken spanischen Vereinigen Linken (Izquierda Unida) schätzt er gar nicht.

In Zeiten, in denen linke Parteien ohne viel zu überlegen mit rechtspopulistischen Parteien Regierungen bilden oder sich diese Option gezielt offenhalten, wäre es eine Freude, wenn die Partei DIE LINKE sich nie uneingeschränkt, sondern nur begrenzt solidarisch zeigt: Wenn diese Regierungen und Parteien was linkes Gutes tun, sie uneingeschränkt unterstützen, wenn sie dem nationalistischen Furor verfallen, sie uneingeschränkt kritisieren.

Korrektur: In einer früheren Version des Artikels hieß es, Kipping habe erklärt, »Freunde könne man sich nicht aussuchen«. Richtig muss es heißen: »Fans könne man sich nicht aussuchen.«

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