Im Garten von Lutz Jahoda
Der 88-jährige Entertainer wohnt am Wolziger See und liest am Sonntag in Berlin aus seinen Erinnerungen
Lutz Jahoda ist eine Bildschirmlegende. Er moderierte im DDR-Fernsehen den »Wunschbriefkasten«, führte durch Unterhaltungssendungen wie »Mit Lutz und Liebe«. Aber der gerade 88 Jahre alt gewordene Jahoda war auch Texter, Tänzer und Schauspieler. Schon seit 1949 steht er auf der Bühne, auch wenn er mittlerweile mit seiner 44 Jahre jüngeren Frau und dem gemeinsamen Sohn zurückgezogen am Wolziger See unweit von Storkow lebt.
Die Zurückgezogenheit geht so weit, dass er von seinem Garten aus den See gar nicht sehen kann. Ein 15 Meter breiter Schilfgürtel ist dort gewachsen, der Blicke abschirmt. Jahoda sucht aber die Nähe zu seinem Publikum. Er hat etliche Bücher veröffentlicht und geht auf Lesereise. Am 19. Juli folgt er einer Einladung nach Berlin, wo er um 10.30 Uhr im Kino Union in der Bölschestraße 69 aus seinen Erinnerungen liest.
»Unser Grundstück wird jedes Jahr größer«, erzählt Jahoda mit seinem charmanten österreichischen Akzent. Am gegenüberliegenden Seeufer tragen Wasser und Wind Erde und Sand ab und landen es bei Jahoda wieder an. Das Ufer ist innerhalb von 50 Jahren um 20 Meter gewachsen.
1965 zog Jahoda mit seiner damaligen Frau ins Brandenburgische, behielt aber seine Stadtwohnung in Berlin. »Ich wollte aufs Land. Vielleicht hatte das mit den Bomben, mit den Erinnerungen an den Krieg zu tun. Auf dem Land blieb man verschont.« Um den Wolziger See lebten viele Filmstars. Abgekauft hat Jahoda das Grundstück der Familie Damaschke, die durch Kürassier-Uniformen für Kaiser Wilhelm II. zu Ruhm und Reichtum gekommen war.
Am Wolziger See dichtete Jahoda unter seinen Pseudonymen Hans Dampf und Franz Felder Schlagertexte, die er auch selbst sang. Seit Anfang der 1980er Jahre schrieb er unter seinem bürgerlichen Namen Lutz Jahoda, übersetzte tschechische Titel ins Deutsche und schrieb alte böhmische und mährische Volkslieder für Prager Schallplattenfirmen um. Viele dieser in Prag aufgenommenen Lieder erschienen bei AMIGA. Oft saß er in seinem Garten mit seiner Schreibmaschine und genoss den Blick auf den See, 1968 war dieser Blick noch frei. Für NVA-Soldaten sang er und die bauten ihm dann einen Bootssteg. Leider hielt dieser Steg nicht lange, das Eis des Winters drückte das Holz zusammen. Wenn er heute den See sehen will, geht Jahoda auf den Bootssteg seines Nachbarn. Der Zaun am See ist für ihn offen.
Das Grundstück wird flankiert von riesigen Bäumen, einer 30 Meter hohe Erle und eine ebenso große Eiche, die bald 100 Jahre alt sind. Jahoda hat manchmal Angst, dass ihm die Bäume auf sein kleines Holzhaus fallen könnten. Aber: »Hier waren schon so viele Stürme und sie stehen immer noch.« Als die DDR der mazedonischen Stadt Skopje nach einem Erdbeben half und Holzhäuser aus Wernigerode lieferte, blieb eins übrig. Das bekam Lutz Jahoda. Die Einzelteile wurden zum Bahnhof Friedersdorf rangiert und im Garten zusammengesetzt. Dort steht das Haus nun seit mehr als 50 Jahren.
Jahoda verbrachte seine Kindheit im tschechischen Brno. Er kam mit den Eltern von Frank Elstner (»Wetten dass?«), die er in Wien kennenlernte, 1946 nach Berlin.
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