»Europas Süden« hält zu SYRIZA
Linke in Spanien und Portugal sehen in Griechenland-Einigung Verrat auch an ihren Völkern
Mit seinem Fernsehinterview von Dienstagabend erklärte sich der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras nicht nur der Bevölkerung seines Landes. Er bekräftigte auch seine Hoffnung, dass es in Südeuropa bald Veränderungen gebe und »ähnliche Formationen« wie SYRIZA an die Macht kommen. Bei der Verschiebung der Kräfteverhältnisse für einen Wandel richtet sich sein Blick besonders nach Spanien. Denn mit dem viertgrößten Euroland kann nicht so umgesprungen werden wie mit dem kleinen Griechenland. Wie in Portugal wird auch dort im Herbst gewählt. Alle Umfragen zeigen, dass die Konservativen in beiden Ländern abgewählt werden.
Die Linksparteien auf der iberischen Halbinsel sind entsetzt, wie unverhohlen sich Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy und der portugiesische Premier Pedro Passos Coelho gegen die eigenen Interessen auf die Seite der Bundesregierung schlugen und nicht einmal französische Positionen unterstützt haben. Es war Rajoy, der Griechenland im Falle eines Neins beim Referendum aus dem Euro werfen wollte. Der Plan ging jedoch nicht auf. Also unterstützte Rajoy anschließend ein Abkommen, das eigentlich unannehmbar ist, um seine Politik als alternativlos darzustellen und »SYRIZA-Podemos« - neuerdings nennt er die Linksparteien beider Länder einem Atemzug - einen Dämpfer zu versetzen. Es müsse verhindert werden, »dass die Linke gewinnt«, so Rajoy am Wochenende. Um den Druck zu erhöhen, kündigte er am Mittwoch an, ein drittes Kreditprogramm für Griechenland dem Parlament zur Abstimmung vorzulegen - obwohl dies die Verfassung nicht vorschreibt.
Erreicht hat er mit all dem, dass sogar die Sozialdemokraten (PSOE) seinen Kurs ablehnen. Der PSOE-Chef sprach von einem »hohen Preis« für Spanien. Pedro Sánchez meint damit nicht die zehn Milliarden Euro, die Spanien für ein neues Griechenland-Programm beisteuern müsste. Als er von einer »schwarzen Woche« sprach, verwies er darauf, dass Wirtschaftsminister Luis de Guindos am Montag nicht Eurogruppenchef wurde, wie es eigentlich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel abgestimmt war.
Podemos-Generalsekretär Pablo Iglesias fand klare Worte zu dem Abkommen und dem Verhalten Rajoys: »Gegen die Mafiosi, volle Unterstützung für Griechenland und seine Regierung«, schrieb er auf Twitter unter Nutzung des Hashtag ThisIsACoup (»Das ist ein Staatsstreich«). Die Regierungen Spaniens und Portugals verrieten laut Iglesias ihr Volk. Ähnlich sieht dies die Vereinte Linke (IU). Sie spricht davon, die Griechen würden für die »Kühnheit« bestraft, mit dem Referendum auf Demokratie gesetzt zu haben. IU-Chef Cayo Lara sieht darin eine »Botschaft« für den »europäischen Süden«. Dessen designierter Nachfolger, Alberto Garzón, sprach von einer »Erpressung« und von einer »Schlacht um Griechenland«, bei der es für Europa insgesamt um die »soziale Ordnung« gehe. Er hofft, dass die Vorgänge sich positiv auf ein Zusammengehen mit Podemos auswirken.
Deutlich fielen auch die Bewertungen in Portugal aus. »Die größte Bedrohung Europas heute sind weder Putin noch islamischer Fundamentalismus, weder die USA noch China, weder Euroskeptiker noch Populisten«, schreibt der Europaparlamentarier Rui Tavares in der Tageszeitung »Público«. »Die größte Bedrohung Europas heute stellt Wolfgang Schäuble dar«, so das Ex-Mitglied des Linksblocks, das 2013 die linksgrüne »Livre« (Frei) gründete. »Herr Anti-Europa« wisse genau, dass man in der EU nicht im Recht sein müsse. »Es reicht, Finanzminister des reichsten EU-Landes zu sein.«
Tavares wirft seiner Regierung eine »historische Unverantwortlichkeit« vor, deutsche Positionen gestützt zu haben und fordert »eine Lösung, die Griechenland leben lässt«. Ähnlich argumentieren der Linksblock (Bloco de Esquerda), die Kommunisten und Agir (Handeln). Der sozialistische Oppositionsführer hatte aus Angst vor Livre und Agir vor dem Referendum noch eine Lanze für SYRIZA gebrochen. Nun lobt Antonio Costa das Abkommen, weil es Griechenland im Euro halte.
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