Widerstand in Europa
Buch und Ausstellung
Die Lehre aus der Geschicht’? Widerstand lohnt sich nicht. Dies könnte mancher nach dem 13. Juli meinen. Und das erhoffen sich wohl jene, die am vergangenen Montag Tsipras in die Knie zwangen und die heroische Auflehnung des griechischen Volkes mit der Anlegung noch härterer Bandagen bestraften. Die Damen und Herren in Berlin und Brüssel sollten nicht zu früh frohlocken.
Manolis Glezos erinnert das aktuelle Diktat an Walther Funk, der 1942 eine »Europäische Wirtschaftsgemeinschaft« ersann, die Europas Ressourcen dem NS-Regime und deutschen Kapital unterwerfen sollte. Hitlers Wirtschaftsminister, zugleich Reichsbankpräsident, wurde in Nürnberg wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt. »Die Wirklichkeit, die wir in den letzten paar Jahren in diesem Europa der Ungleichheit ... erleben, hat nichts mit dem Europa der Völker, dem Europa der Bürger, dem Europa der Verbrüderung und des Friedens, der Solidarität, der Gleichheit und Volkssouveränität zu tun, von dem wir einmal geträumt haben«, schreibt der ehemalige Partisan, der in der Nacht zum 30. April 1945 die auf der Akropolis gehisste Naziflagge einholte, im Vorwort des Begleitbandes zu einer Wanderausstellung der Internationale Föderation der Widerstandskämpfer, FIR.
Buch und Schau erinnern, nach Ländern sortiert, an den antifaschistischen Widerstand von Mussolinis »Marsch auf Rom« 1922 bis zum Sieg über Nazideutschland 1945. Das Kapitel zu Griechenland erwähnt den nach der Befreiung Athens ausgebrochenen Bürgerkrieg, an dem sich ein 50 000 Mann starkes britisches Expeditionskorps beteiligte, um eine kommunistische Regierung zu verhindern. Anhand des Beispiels von Belgien werden Kontinuitäten des Widerstands gegen Deutschland vom Ersten zum Zweiten Weltkrieg deutlich. Das Land, in dem sich die wichtigsten EU-Institutionen befinden, hat mehr als die Hälfte seiner Juden vor deutschen Rassisten gerettet. Allein Robert Maistriau gelang es mit zwei Kameraden, einen Transport von Mechelen nach Auschwitz zu stoppen, Hunderte Juden konnten fliehen. Seiner Gruppe ist in der Freien Universität von Brüssel ein Denkmal gewidmet. Explizit erwähnt wird in dem Band, dass im belgischen bewaffneten Widerstand entflohene sowjetische Kriegsgefangene eine bedeutende Rolle spielten.
Auch der hierzulande wenig bekannte antifaschistische Kampf in der Heimat von Jean-Claude Juncker wird gebührend gewürdigt. Ein vom NS-Gauleiter im Oktober 1941 initiiertes Referendum, in dem die Luxemburger ihre Zugehörigkeit zum »deutschen Volk« erklären sollten, erbrachte eine klare Absage an die Okkupanten. Ende August 1942 kam es gar zu einem Generalstreik wider Zwangsrekrutierung in die Wehrmacht. Das kleine Land bezahlte seine Befreiung mit über 8000 Toten, 2,8 Prozent der Bevölkerung.
Dieser Band ist prall gefüllt mit historischen Lehren und aktuellen Assoziationen. Karlen Vesper
Ulrich Schneider/ Jean Caroen (Hg.): Antifaschistischer Widerstand in Europa 1922 - 1945. PapyRossa. 335 S., br., 29,90 €.
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