Gegen Niedriglohn und Überausbeutung
Wie sich Arbeitsmigranten zur Wehr setzen können
Wie wehren sich Arbeitsmigranten in Deutschland gegen Niedriglohn und schlechte Arbeitsbedingungen? Und welche Rolle spielen dabei die Gewerkschaften? Über solche Fragen wurde am Mittwochabend bei einer Veranstaltung anlässlich einer Ausstellung zu Flüchtlingswiderstand im Berliner Postbahnhof diskutiert.
Shendi Vali von der Gruppe Berlin Migrants Strikers beschrieb zunächst, wie die Austeritätspolitik junge, gut ausgebildete Menschen in der europäischen Peripherie in Verarmung und Arbeitslosigkeit treibt. In der Hoffnung auf bessere Lebensbedingungen kommen sie nach Deutschland - und landen im Nie-driglohnsektor. »Sie werden von den Eliten in Deutschland benutzt, um das Lohnniveau zu senken. Das ist eine gefährliche Politik, weil sie den Rassismus fördert«, so Rafal Aragües Aliaga von der Basisgewerkschaft GAS. Diese ist Teil der M15-Bewegung, die 2012 in vielen spanischen Städten Plätze besetzte, um ihrer Forderung nach Ende der Austeritätspolitik Nachdruck zu verleihen. Auch viele heute in Berlin lebende spanische Arbeitsmigranten seien dadurch politisiert worden.
Die Skepsis gegen große Parteien und Gewerkschaften, die als angepasst gelten, teilen auch Berliner Aktivisten. Mittlerweile hätten sie laut Aragües Aliaga aber die Erfahrung gemacht, dass eine Kooperation mit Gewerkschaften sinnvoll ist, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die GAS habe sowohl mit DGB-Gewerkschaften als auch mit der Freien Arbeiterunion (FAU) Kontakt. »Die kleine Basisgewerkschaft hat Zulauf von migrantischen Beschäftigten bekommen«, betont Vali. Romin Khan, Referent für Migration bei ver.di, würdigte das Engagement der FAU im Arbeitskampf der rumänischen Bauarbeiter an der Mall of Berlin. Es sei aber wichtig, dass auch große Gewerkschaften für die Rechte der migrantischen Arbeiter eintreten.
Auf dem Podium war man sich einig, dass Überausbeutung ein häufiges Problem migrantischer Arbeiter sei. In der Gastronomie gebe es Beschäftigte, die laut Arbeitsvertrag einen Minijob haben, in der Realität aber täglich zwölf Stunden arbeiten. Vali zeigte am Beispiel einer Pizzeria, wie kreative Wege helfen können: Die Beschäftigten schrieben an die mit dem Chef befreundete italienische Musikgruppe Banda Basotti vor deren Berlin-Auftritt einen Offenen Brief. Vor dem Konzert konnten sie von der Bühne aus ihr Anliegen vortragen - der Chef erklärte sich zu Verhandlungen bereit.
Ein solches Vorgehen hilft beim Kampf gegen Knebelverträge im Pflegebereich kaum. Laut solchen Vereinbarungen sind Beschäftigte über Jahre an eine Firma gebunden, die ihnen einen Sprachkurs finanziert hat. »Wir können gegen diese Verträge, die unsere Freizügigkeit einschränkt, nicht ohne die Gewerkschaften kämpfen«, betonte Vali. »Doch wir können auch nicht auf Gewerkschaften warten.«
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