Zwischen den Großmächten

Belarus versucht sich außenpolitisch neu zu orientieren

  • David X. Noack
  • Lesedauer: 3 Min.
Angesichts derzeitiger (Wirtschafts-)Krisen erweist sich die enge Bindung Belarus an die Ukraine und Russland als problematisch. Entsprechend versucht die Regierung ihre Kontakte sowohl in Richtung EU/USA als auch China auszubauen.

Mit einer wirtschaftlich engen Bindung an die Russische Föderation garantiert die Politik Alexander Lukaschenkos der Republik Belarus seit zwei Jahrzehnten niedrige Öl- und Gaspreise. Was lange das Rezept für den wirtschaftlichen Erfolg bildete, wirkt sich nun negativ auf die ökonomische Lage im Land aus. So leidet auch Belarus unter der russischen Wirtschaftskrise sowie den Auswirkungen der Sanktionen gegen Russland, mit welchem Belarus seit Beginn des Jahres die Eurasische Wirtschaftsunion bildet.

Hinzu kommen die Folgen des Bürgerkrieges und die politische und wirtschaftliche Situation in der Ukraine, die seit vielen Jahren der zweitgrößte Handelspartner von Belarus ist. Daher versucht Lukaschenko nun, die Beziehungen zu China, den USA und der EU auszubauen. Im Bemühen um größeren außenpolitischen Handlungsspielraum und bessere Kontakte mit China strebt die Regierung einen Beobachterstatus in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) an. Belarus wäre das westlichste Land mit solch einem Status. Außerdem zeigen staatliche Stellen und verschiedene Wissenschaftler des Landes Interesse am chinesischen Projekt eines »Wirtschaftsgürtels entlang der neuen Seidenstraße«. Der Besuch des Präsidenten Xi Jinping Mitte Mai brachte Aufträge und Kredite im Umfang von 3,5 Milliarden US-Dollar. Doch das chinesische Interesse an Belarus ist wegen der labilen Währung gering und die belarussische Seite konnte in den vergangenen beiden Jahrzehnten lediglich ein Drittel der von Peking angebotenen Kredite abrufen.

Unter anderem deshalb versucht die belarussische Staatsführung, auch die Beziehungen zu den USA zu verbessern. Sie befanden sich seit dem Jahr 2007, als Präsident Bush gegenüber Belarus in die politische Offensive ging, auf einem Tiefpunkt. Um einen Keil zwischen die Staaten der Eurasischen Wirtschaftsunion treiben zu können, haben die USA im März dieses Jahres die diplomatischen Beziehungen zu Belarus normalisiert. Außerdem wurden die US-Sanktionen gegen den Düngemittel- und Erdölkonzern Belneftechim in den vergangenen Monaten aufgehoben. Kredite oder größere Investitionen kann Belarus aber aus Nordamerika nicht erwarten. Die Kontakte des postsowjetischen Landes mit der EU gestalten sich ebenso schwierig. Mit der Vermittlerrolle im Ukrainekonflikt sowie einer regen Teilnahme an der EU-Flüchtlingsabwehr versucht Minsk, die Beziehungen mit Brüssel aufzuwerten, was jedoch kaum gelingt. Die Strategen in der EU scheinen sich einig, dass die Unterstützung von Teilen der Opposition keine Erfolge verspricht, aber eine neue Strategie für Belarus haben sie auch nicht. Weiterhin wird Präsident Lukaschenko wohl außenpolitisch Haken schlagen, um zwischen dem »großen Bruder« in Moskau und den anderen Großmächten den größtmöglichen Spielraum für sein Land herauszuholen.

Alle »Briefe aus…« in WeltTrends Nr. 104 »Goodbye Neutralität? Sicherheit in Skandinavien« (Juni 2015) können über den WT-Shop bezogen werden.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.