Griechenland als Einfallstor für Privatisierungen
Die Finanzbranche hofft auf den Verkauf staatlicher Unternehmen in der ganzen Eurozone
Endspurt in Italien: Der sozialdemokratische Ministerpräsident Matteo Renzi will die Post an die Börse bringen. Nachdem jahrelang über die Privatisierung gestritten wurde, steht der Aktienverkauf nun unmittelbar bevor. Anfang August soll der Börsenprospekt erscheinen. In die defizitäre Staatskasse könnten dann etwa vier Milliarden Euro fließen.
Das Thema »Privatisierung« hat durch die jüngst beim Gipfel der Eurogruppe getroffenen Vereinbarungen mit Griechenland viel Aufmerksamkeit erhalten. Das Land soll sich entschlossen von Staatsbetrieben trennen. Aber auch mit Blick auf andere Euroländer erhält das Thema wieder mehr Beachtung. Die Übertragung staatlicher Betriebe in private Hände soll die hoch verschuldeten Staatskassen entlasten und nachhaltige Wachstumsimpulse setzen, wie Befürworter glauben. »Die Zeit, diese zu nutzen, ist günstig«, schreiben Analysten der Deutschen Bank in einer Studie mit dem Titel »Privatisierung in der Eurozone«. Die Aktienbörsen bewegten sich vielerorts auf hohem Niveau. »Damit bestehen günstige Perspektiven, dass Regierungen angemessene Erträge generieren können.«
In mehreren Ländern sieht die Finanzbranche nennenswerte Privatisierungspotenziale. In Spanien etwa sind Bahn und Post potenzielle Kandidaten. Die staatliche Beteiligungsholding SEPI hält daneben Mehrheitsbeteiligungen an 16 weiteren großen Unternehmen wie Marinewerften und Firmen des Nuklearbereichs. In Portugal sieht die konservative Regierung im Privatisierungsprogramm sogar das Kernstück ihrer Strukturreformen. Bereits seit Jahren werden hier staatliche Beteiligungen verkauft. Auch Österreich hat noch interessante Werte wie den Rohstoffförderer OMV, die Telekom Austria oder die Post.
Selbst im traditionell »etatistisch« orientierten Frankreich lässt sich eine Akzentverschiebung beim Umgang mit Staatsbesitz beobachten. So erregte es nicht allein in Paris Aufsehen, als die sozialistische Regierung Manuel Valls im vergangenen Herbst ankündigte, bis Ende 2015 Beteiligungen im Umfang von bis zu zehn Milliarden Euro abzugeben. Gleichwohl zeigt sich in unserem Nachbarland, dass Privatisierung nicht unbedingt mit Kontrollverlust verbunden sein muss. Wie viele andere Länder hat Frankreich in den vergangenen 30 Jahren sein früher umfangreiches Staatseigentum spürbar reduziert. Allerdings gehört eine unternehmerische Rolle in der Wirtschafts- und Strukturpolitik nach wie vor zum Staatsverständnis französischer Regierungen - egal ob links oder rechts. Deswegen hat der Staat bis heute in mehreren Sektoren wesentliche Einflussmöglichkeiten behalten.
Über seine Beteiligungsagentur APE ist der französische Staat an 74 Unternehmen beteiligt, darunter 13 börsennotierte zum Kurswert von über 70 Milliarden Euro. Hinzu kommen nicht an der Börse gelistete Staatsunternehmen wie Flug- und Seehäfen, Rüstungsfirmen, die Lotteriegesellschaft La Française des jeux, die Eisenbahngesellschaft SNCF, die staatliche Fernsehanstalt und die Post. Und der französische Staat hat selbst in jüngerer Zeit Anteile an Unternehmen erworben, um sich Einfluss zu sichern. So stockte Paris seine Beteiligungen an dem angeschlagenen Autobauer PSA Peugeot Citroën sowie der Luftfahrtgesellschaft Air France-KLM auf. Bei Verkäufen sichert sich der Staat zudem gegen den Verlust von Einfluss durch Doppelstimmrechte und spezielle Kontrollmöglichkeiten ab. »So dürfte der Einfluss des Staates sogar gewachsen sein«, schreibt die Deutsche Bank.
In Italien sieht das ehrgeizige Programm der Regierung im Durchschnitt jährliche Beteiligungsverkäufe im Wert von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes vor. Doch ob dies alles glatt durchgeht? In vielen Euroländern stoßen geplante Privatisierungen vor allem auf lokaler und regionaler Ebene auf mitunter heftigen politischen Widerstand.
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