Kleine Körner mit großer Kraft

Ob Chia, Sesam oder Leinsaat - Ölfrüchte schmecken, sind nahrhaft und können Krankheiten vorbeugen

  • Anke Nussbücker
  • Lesedauer: 4 Min.
Ölsaaten bereichern Frühstück, Salat, Suppe oder Kartoffelspeise. Im Austausch gegen Nahrungsmittel tierischer Herkunft schneiden auch weit gereiste Körner in Punkto Gesundheit und Ökobilanz besser ab.

Warum verzehren besonders vegetarisch lebende Menschen häufig so verschiedene exotische Nahrungsmittel? Widersprechen nicht gerade die weiten Transportwege von Sesam aus dem Orient, von Chiasamen aus Mexiko oder Leinsaat aus China dem Prinzip einer regionalen Küche? Und was ist mit den teuren Preisen für ein kleines Päckchen Hanfsaat oder Kürbiskernen? Woran liegt es, dass konventionelle Lebensmittel tierischer Herkunft im Supermarkt oder Discounter oftmals wesentlich preisgünstiger zu kaufen sind im Vergleich zu den alternativen Körnchen? Handelt es sich wirklich nur um eine Mode im Ernährungsstil zahlreicher Veganer? Oder werden hier mit EU-Subventionierung und Preispolitik nicht nur die einfachen Menschen veräppelt?

Verschiedene proteinreiche Ölsaaten wie zum Beispiel die Leinpflanze (Linum usitatissimum) für Öllein oder Flachsfasern wurden bis zum Ende des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum in großem Umfang angebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Anbau von Faserlein durch die billigere Baumwolle stark zurückgedrängt. Erst mit Beginn der ökologischen Bewegung und Vollwerternährung in den 1980er Jahren erhielten Hanf und Lein wieder mehr Aufmerksamkeit - nicht nur in der Kleidermode, sondern auch in der Ernährungswissenschaft.

Bei den Samen der Leinpflanze schätzt man vor allem den besonders hohen Anteil von Alpha-Linolensäure, einer dreifach ungesättigten Fettsäure, die zum Beispiel hilft, bei Stress-Situationen den Blutdruck niedrig zu halten. Weiterhin finden sich in Leinsamen Schleimstoffe, die zur Gesundheit von Magenschleimhaut und Darm beitragen. Ganz besonders nach operativem Entfernen von Hämorrhoiden sind Leinsaat und Flohsamenschalen zu empfehlen, um einer erneuten Erkrankung vorzubeugen. Die in Leinsaat und nativem Leinöl enthaltenen Lignane können bei Wechseljahresbeschwerden sogar ähnlich positive Wirkungen wie die Isoflavone der Sojabohne entfalten.

Die traditionell in Südamerika verwendeten Chiasamen (Salvia hispanica L.) enthalten ebenfalls einen sehr hohen Anteil von Omega-3-Fettsäuren, zeichnen sich darüber hinaus durch ihren hohen natürlichen Gehalt an Antioxidantien, Mineralstoffen und Spurenelementen aus. Alle lebensnotwendigen Aminosäuren - die Baustoffe für Proteine - sind in Chiasamen vorhanden. Bereits vor Hunderten von Jahren galten die kleinen schwarz glänzenden Körnchen in Mittelamerika als lang haltbare Kraftnahrung. Ihre gelartige Beschaffenheit, die sie nach dem Einweichen in Wasser oder Fruchtsaft erlangen, macht sie interessant für Desserts und Salatdressing oder auch als Ersatz für Hühnereier.

Die Samen von Nutzhanf, der in Europa wieder verstärkt angebaut wird, können ebenfalls mit wertvollem Protein, mehrfach ungesättigten Fettsäuren und reichlich Vitamin E aufwarten. Die in Hanfsaat enthaltene Gamma-Linolensäure, bekannt auch aus dem Nachtkerzenöl, kann bei Hautproblemen wie Akne, Rosacea oder Neurodermitis Entzündungen lindern, sobald die knackigen Hanfkörnchen regelmäßig in den Speiseplan eingebaut werden. Die cholesterinsenkenden Fettbegleitstoffe sowie zahlreiche B-Vitamine und Lezithin aus Sonnenblumenkernen kommen besonders in der kalten Küche zum Tragen. Über Frucht- oder Blattsalate gestreut erfreuen Sonnenblumenkerne den Gaumen ebenso wie Kürbiskerne mit einem kräftigen Geschmack. Sesamsaat verbessert den glykämischen Index von kohlenhydrathaltigen Speisen, zum Beispiel von Kartoffeln, und verziert darüber hinaus Brötchen oder Fladenbrot.

Wer an Stelle einer Fleischmahlzeit den aus dem Orient stammenden Hommus - eine pflanzliche Paste aus gemahlenem Sesam und pürierten gekochten Kichererbsen - zu sich nimmt, trägt darüber hinaus dazu bei, die landwirtschaftliche Ressourcen besser auszunutzen. Mindestens dreimal so viele Menschen könnten von der gleichen satt Fläche werden, verzehrten sie Hommus an Stelle einer Fleischmahlzeit. Damit eine pflanzenbetonte Ernährung hierzulande aber wirklich Effekte auf die erhöhte Verfügbarkeit von Nahrung für die Hungernden dieser Welt zeigen kann, denen der im reichen Europa verfütterte amerikanische Weizen und Mais als Grundnahrungsmittel fehlt, ist jedoch auch der politische Wille der EU-Kommissare gefragt. Erklärtes Ziel der Verantwortlichen in Brüssel ist es jedoch, die großen Kapazitäten der Aufzucht, Schlachtung und Massenproduktion von Fleisch zu erhalten, statt zu reduzieren.

Der Gesundheit ist es dienlich, pflanzliche Speisen häufiger auf den Speiseplan zu setzen, da ein höherer Fleischkonsum auch mit höherer Diabeteshäufigkeit korreliert. Um Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und dem Metabolischen Syndrom - einer Kombination aus Diabetes, Bluthochdruck, Fettleibigkeit - vorzubeugen, gilt es, auch in der Proteinzufuhr gemäßigt zu bleiben.

Durch ihren hohen Gehalt an Ballaststoffen, mit dem sich alle genannten Ölsaaten auszeichnen, verbessern sie auch das Sättigungsgefühl, und können auf diese Weise zu einer gewünschten Gewichtsreduktion beitragen.

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