Geodaten für hungrige Firmen
Eine Plattform soll der Wirtschaft den Zugang zu Infos aus öffentlicher Hand erleichtern
Seit Montag können sich Unternehmen auf einer bundeseinheitlichen Plattform für die Nutzung öffentlich erhobener Geodaten akkreditieren und zertifizieren lassen. Grundlage ist eine Vereinbarung zwischen der Kommission für Geoinformationswirtschaft beim Bundeswirtschaftsministerium und dem Verein Selbstregulierung Informationswirtschaft (SRIW), die in enger Kooperation mit den Datenschutzbehörden des Bundes und der Länder erarbeitet wurde. Brigitte Zypries (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundeswirtschaftsministerium, bezeichnete dies am Montag in Berlin als Meilenstein für Wirtschaft und Datenschutz. Der erleichterte, standardisierte Zugang zu den Daten berge großes Wertschöpfungspotenzial und stärke gleichzeitig den Schutz von Persönlichkeitsrechten.
Unter Geodaten versteht man bildliche Darstellungen und statistische Erhebungen mit räumlich eingrenzbarem Bezug und Verknüpfungen zu personenbezogenen Daten. Dies betrifft zum Beispiel Bodenrichtwerte, Anwohner in Fluglärmzonen, Katastereinträge, Flächennutzungen, Trassenplanungen oder auch Erhebungen über die Nutzung digitaler Infrastruktur. Unternehmen benötigen diese Daten vor allem für ihre Investitionsentscheidungen oder - wie im Fall von Versicherungen - zur Risikoeinschätzung und Wertermittlung bei Grundstücken.
Für die Akkreditierung beim Portal müssen der Geschäftszweck angegeben und das Vorhandensein der technischen und personellen Voraussetzungen zur Einhaltung aller datenschutzrechtlichen Bestimmungen nachgewiesen werden. Ferner müssen die Antragsteller das in der vergangenen Woche endgültig verabschiedete Regelwerk zum Umgang mit diesen Daten, den GeoBusiness Code of Conduct, unterzeichnen. Nach Prüfung der Angaben wird ein entsprechendes Zertifikat ausgestellt. Dieses solle eine Art Gütesiegel für die datenhungrigen Unternehmen sein und ihnen den Zugang zu den entsprechenden sensiblen Daten bei den verschiedenen Behörden erleichtern, erläuterte der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix den Sinn des Unterfangens. Zumal das Portal den Berechtigten auch als Wegweiser durch den föderalen Behördendschungel dienen werde. Bei Missbrauch der Daten, etwa durch unerlaubte Weitergabe oder Personalisierung zu Werbezwecken könnten die betreffenden Sünder von dem Verfahren ausgeschlossen und zudem durch Veröffentlichung »an den digitalen Pranger gestellt werden«, so Dix.
Zwar handelt es sich beim GeoBusiness Code of Conduct erstmalig um eine bundeseinheitliche Auslegung der Datenschutzbestimmungen, doch die Entscheidung über die Bereitstellung von Daten obliegt nach wie vor den Ländern und Kommunen. Man rechne dennoch mit einer allmählichen Vereinheitlichung der Behördenpraxis, da schließlich alle Akteure beim Entstehungsprozess des Vertrages mit im Boot gewesen seien, so Harald Lemke, der Vorstandsvorsitzende von SRIW. Geodaten des Bundes sind ohnehin weitgehend öffentlich zugänglich. In der Verordnung zur Festlegung der Nutzungsbestimmungen für die Bereitstellung von Geodaten des Bundes vom 19. März 2013 heißt es, Geodaten »werden für alle derzeit bekannten sowie für alle zukünftig bekannten Zwecke kommerzieller und nicht kommerzieller Nutzung geldleistungsfrei zur Verfügung gestellt, soweit durch besondere Rechtsvorschrift nichts anderes bestimmt ist oder vertragliche oder gesetzliche Rechte Dritter dem nicht entgegenstehen«.
Ob das neue Regelwerk dazu beitragen kann, die Datensicherheit des einzelnen Bürgers zu verbessern, muss allerdings bezweifelt werden. Denn global agierende Unternehmen der Digitalwirtschaft wie Google oder Facebook verfügen über einen gigantischen und stetig wachsenden Fundus von personenbezogenen oder verknüpfungsfähigen Geodaten, die faktisch unreguliert genutzt werden können. Und wirksame datenschutzrechtliche Restriktionen lassen sich gegen die Konzerne offensichtlich weder national noch auf europäischer Ebene durchsetzen.
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