Futter für Hartz-IV-Katzen

Die Helfer von der Hamburger Tiertafel suchen für ihre Arbeit nach einer neuen Bleibe

  • Folke Havekost, Hamburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Seit acht Jahren hilft die Hamburger Tiertafel Tierhaltern, die in eine soziale Notlage geraten sind. Doch viel mehr als die anfallenden Nebenkosten kann der Verein aus eigenen Mitteln nicht bestreiten.

Eine Futterlieferung ist ausgefallen, jetzt müssen die ehrenamtlichen Helfer Vorräte aus dem Lager holen. »Wir sind flexibel, wir schaffen auch das«, sagt Beke Semken, die zweite Vorsitzende des Vereins »Tiertafel Hamburg«. Bald darauf trifft die Ersatzration aus dem eigenen Lager ein, noch ein paar Handgriffe, und das Werk kann beginnen: Bedürftige Tierbesitzer mit Futter für ihre Lieblinge zu unterstützen.

Alle vier Wochen bilden Tiere und Tierfreunde Schlangen vor dem »Futterhaus« in der Kieler Straße. Diesmal sind es gut 80 Tierbesitzer, die auf die Versorgung ihrer Lieblinge warten. Viele sind schon lange vorm Ausgabebeginn um 14 Uhr gekommen: Nicht unbedingt, um sich einen günstigen Warteplatz zu sichern, sondern vor auch, um sich zu unterhalten und zu beraten. »Einige kennt man schon lange, da quatscht man und tauscht Erfahrungen aus«, erzählt Heike Neumann. »Je nachdem, wann man kommt, steht man hier schon mal zwei Stunden«, sagt die Barmbekerin: »Aber für das Tier nimmt man das in Kauf.«

Ihr Bordercollie Diego, den sie aus dem Tierheim aufgenommen hat, ist in Barmbek geblieben. »Er ist ein Angstbeller, deshalb habe ich ihn nicht dabei«, erklärt Neumann. Sie vermutet schlimme erste Lebensjahre ihres Hundes: »Er kannte überhaupt kein Fressen aus dem Napf. Ich glaube, er ist an der Kette gehalten worden.«

Langsam rückt die Schlange vor, die meisten sind für ihre Hunde und Katzen gekommen. Aber auch für Frettchen, Vögel und Nager liegt Futter für die nächsten zwei Wochen bereit. Chronisch kranke Tiere erhalten sogar eine Vollversorgung bis zum nächsten Ausgabetermin in vier Wochen. Ariane Breyde holt Futter für ihren Kater Bagira und die Chihuahua-Dame Gismo. Sie steht in der Schlange, weil sie vor kurzem ihren Arbeitsplatz verloren hat. »Ohne die Tafel müsste ich meine Tiere weggeben, halten könnte ich sie nicht«, berichtet die Einzelhandelsverkäuferin: »Gismo ist zwar ein kleiner Hund, aber der will auch fressen und muss auch mal zum Tierarzt.«

Seit acht Jahren versorgt das gute Dutzend Tiertafel-Helfer Halter und deren Tiere, die in eine soziale Notlage geraten sind, die Hartz IV oder eine Grundsicherung erhalten, unter einer niedrigen Sozialrente leiden oder sich in der Privatinsolvenz befinden. »Finanzielle Not darf nicht dazu führen, dass Haustiere abgegeben werden müssen und aus Geldmangel nicht mehr richtig ernährt werden«, lautet das Credo des Vereins.

»Futter habe ich schon immer gespendet«, erzählt die ehemalige Sachgebietsleiterin Beke Semken. »Vor drei Jahren habe ich mich dann gefragt, was ich in meiner Altersteilzeit denn so machen will, um nicht vor dem Fernseher zu hocken.« Die Besitzerin des weißen Katzenpaars Mimi und Maili stieg stärker bei der Tiertafel ein. »Ich bin der größte Katzenfan auf der großen weiten Welt«, sagt Semken. »Das ist jeder hier«, ruft Marion Schönfeld dazwischen, die sich mit Semken um die Registrierung kümmert. In zwei Kästen mit Karteikarten sind die Tierhalter erfasst, welche die Tafel in Anspruch nehmen.

Die Crew ist froh über das Asyl, dass sie beim Tierbedarfsgroßhändler in der Kieler Straße erhalten hat - wegen zu hoher Mietkosten hatte der Verein Ende 2014 seine feste Unterkunft in Farmsen verlassen müssen. »Wir könnten dreimal so viele Tiere versorgen, wenn wir Räume und Equipment hätten«, klagt Semken. Nun sucht die Tiertafel nach einer neuen Bleibe.

Der Arzt Christian Bähr und der Tierheilpraktiker Ernst Bamert schauen auch vorm »Futterhaus« nach dem Rechten - ehrenamtlich. »In einem eigenen Raum könnte unser Tierarzt auch Katzen und Kaninchen behandeln, statt nur Hunde provisorisch zu untersuchen«, sagt Semken. Tiere zu versorgen, erfordert nicht nur Zeit, sondern auch Raum. Die Tiertafel wünscht sich 80 Quadratmeter, verkehrsgünstig gelegen und mit einem getrennten Zimmer für den Tierdoktor ausgestattet.

Viel mehr als die anfallenden Nebenkosten kann der Verein aus eigenen Mitteln nicht bestreiten, was die Suche erschwert »Viele Vermieter wollen die Klientel nicht«, vermutet Tina Doll, die das Futter in Ausnahmefällen auch schon zu Herrchen oder Frauchen nach Hause gebracht hat, wenn die Beweglichkeit der Tierhalter eingeschränkt war. Im Kampf um Fördermittel kommen Doll und Co. nur langsam voran. Die Bemühungen um städtische Unterstützung sind bislang im Sande verlaufen, die Behörden legen im Schriftwechsel recht unverblümt nahe, dass ein neues festes Heim wohl nur durch private Mäzene möglich würde.

»Es werden so viele Steuergelder zum Fenster herausgeworfen, aber es ist kein Geld da, um der Tiertafel eine Unterkunft zu beschaffen?«, fragt Peter Lehmann, der für seine Katze Tappsy ansteht. Solveig Haufs zeigt auf ihrem Handy-Display eine Nahaufnahme von Mausi, einer ihrer drei Katzen: »Eigentlich ist es traurig, dass Hamburg sich nicht darum kümmert, wie es in anderen Städten der Fall ist.«

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