Gewerkschafter wollen Korrekturen beim Mindestlohn
DGB-Vorsitzender Hoffmann: Ausnahmen für Langzeitarbeitslose »abstrus« / IG-BAU-Chef Feiger: »Schlichtweg zu wenige« Kontrollen der Lohnuntergrenze / Grüne kritisieren Nahles-Pläne zur Regulierung der Zeitarbeit
Berlin. Der Deutsche Gewerkschaftsbund wirbt für Korrekturen am Mindestlohn. »Die Ausnahmen für Langzeitarbeitslose sollten abgeschafft werden«, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. Er halte es auch nach wie vor für »abstrus«, dass Jugendliche unter 18 Jahren nicht den Mindestlohn erhalten. Die Erleichterung der Aufzeichnungspflicht in bestimmten Branchen, gekoppelt an zwölf Monate Beschäftigung, nannte Hoffmann vertretbar. Eine weitere Lockerung der Dokumentationspflichten, wie sie die CSU fordert, lehnte er dagegen ab. Der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gilt seit Jahresbeginn, es gibt allerdings Ausnahmen.
Der Chef der IG Bauen-Agrar-Umwelt Robert Feiger, der auch Mitglied der Mindestlohn-Kommission ist, zog derweil eine geteilte Zwischenbilanz der zum Jahresbeginn eingeführten Mindestbezahlung von 8,50 Euro in der Stunde. Sie habe einerseits dazu geführt, dass Mini-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen umgewandelt wurden und wegen der höheren Löhne die Binnenkaufkraft nach Schätzungen um rund 19 Milliarden Euro gestärkt werde. »Der Mindestlohn war eine richtige und kluge Entscheidung.«
Andererseits sei es ein Fehler, dass auf Druck der Unternehmerlobby die Dokumentationspflichten zur Arbeitszeit gelockert worden sind, sagte Feiger. Künftig soll die Arbeitszeit nur noch für Beschäftigte dokumentiert werden, die regelmäßig unter 2.000 Euro im Monat brutto verdienen. Bei maximaler Ausnutzung der gesetzlich zulässigen Arbeitszeit könne man aber auch mit 8,50 Euro Stundenlohn über diese Grenze kommen, sagte Feiger. Die ursprünglich für alle geltende Grenze von 2958 Euro sei daher die bessere Regelung.
Die Einhaltung der Mindestlohn Vorschriften werde vom Zoll zudem bislang noch ungenügend kontrolliert, so Feiger. »Die eingesetzten Kräfte sind zwar hoch qualifiziert, aber schlichtweg zu wenige.« Statt der bislang nicht mal voll besetzten 6.700 Planstellen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit seien mindestens 10.000 notwendig. Der von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) angekündigte Aufbau von 1600 Stellen scheitere nach seiner Einschätzung bereits an den ungenügenden Ausbildungskapazitäten.
Unterdessen hat die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, die Pläne der Bundesregierung zur Regulierung der Zeitarbeit als weitgehend wirkungslos kritisiert. Der Plan von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), die Überlassungsdauer von Leiharbeitern auf 18 Monate zu begrenzen, »schadet mehr als er nützt«, sagte Pothmer der »Saarbrücker Zeitung«.
»Er nützt nicht, weil nur jeder sechste Job in der Leiharbeit länger als ein Jahr hält. Die meisten Leiharbeiter werden also gar nicht geschützt«, meinte die Grünen-Politikerin. Er schade aber, sobald Unternehmen Auftragsspitzen von mehr als 18 Monaten bewältigen müssten.
Unzufrieden zeigte sich Pothmer auch mit dem Vorhaben, Zeitarbeitern spätestens nach neun Monaten den gleichen Lohn wie Stammbeschäftigten zu garantieren. »Das ist alte FDP-Forderung, die die SPD lange bekämpft hat. Und zwar zu Recht. Denn die Hälfte der Leiharbeiter ist schon nach drei Monaten wieder draußen«, gab Pothmer zu bedenken. Dieses Vorhaben sei nur »Scheinpolitik«. Wer wirklich den Missbrauch von Leiharbeit verhindern wolle, müsse die gleiche Bezahlung von Leiharbeitnehmern und Stammbelegschaft von Anfang an gewährleisten, erklärte die Grünen-Politikerin. Agenturen/nd
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