Am Scheideweg von Krieg und Frieden

Kurden sind gespalten in der Frage, wie der wieder offen entflammte Konflikt mit der Türkei beendet werden kann

  • Ismail Küpeli
  • Lesedauer: 3 Min.
Während die linke Partei HDP sich immer noch für Frieden einsetzt, spitzt sich die Lage in der Türkei zu. Jetzt wäre die richtige Zeit, sich ebenfalls für den friedlichen Weg zu engagieren - auch in Deutschland.

Mit Friedensdemonstrationen versucht die linke HDP, die Öffentlichkeit gegen den Krieg in der Türkei zu mobilisieren. In Van im Südosten der Türkei gingen am vergangenen Samstag nach Veranstalterangaben bis zu 15 000 Menschen auf die Straße, die eine Rückkehr zum Friedensprozess zwischen türkischer Regierung und der Kurdischen Arbeiterpartei PKK forderten. Auch außerhalb der Türkei fanden Demonstrationen statt, so etwa in Köln. Dort haben etwa 8000 Menschen für den Frieden demonstriert. Die Veranstaltung blieb, entgegen anderen Befürchtungen in einigen Medien, friedlich. Auch die Provokationen seitens türkischer Nationalisten am Rande des Demonstrationszuges führten nicht zur einer Eskalation.

Allerdings bestand der überwiegende Teil der Demonstranten in Köln aus Kurden aus dem PKK-nahen Spektrum und aus türkischen radikalen Linken. Weitgehend abwesend waren Kräfte aus der politischen Mitte wie etwa die Grünen, die sich bei den Parlamentswahlen in der Türkei für die HDP ausgesprochen hatten. Dies könnte für die weitere Debatte unter den kurdischen Akteuren eine entscheidende Rolle spielen. Die HDP setzt darauf, genug Druck gegenüber der AKP-Regierung aufzubauen, damit diese den bisherigen Kriegskurs überdenkt. Jedoch sind nicht alle kurdischen Kräfte davon überzeugt, dass dies der richtige Weg ist.

Die Argumente gegen die Strategie der HDP fallen in zwei Bereiche. Einerseits wird in Frage gestellt, ob überhaupt glaubwürdige und ernst gemeinte Verhandlungen und Gespräche mit der AKP-Regierung möglich sind. Der Verlauf des »Friedensprozesses« mit der PKK wird hier als Beispiel dafür angeführt, dass die AKP-Regierung nicht wirklich verhandelt, sondern lediglich den Anschein von Dialogbereitschaft aufrecht erhält, um Gegenkräfte zu neutralisieren. Auch die Ausschaltung der Opposition über mehrere Repressionswellen seit dem Jahr 2007 wird hier als Hinweis dafür herangezogen, dass die AKP mit allen Mitteln ihren Zugriff auf den Staat ausbaut. Insofern wird der Versuch der HDP, die AKP mit öffentlichen Druck zum Verhandlungstisch zu treiben, als naiv und zum Scheitern verurteilt bewertet.

Die zweite Argumentationsschiene betrifft die Frage, ob der parlamentarisch-demokratische Weg insgesamt zielführend ist. Insbesondere das repressive Vorgehen der türkischen Regierungen gegenüber der HDP und gegenüber den friedlichen Protesten in den kurdischen Gebiete zeige, dass eine Überwindung des jetzigen politischen Systems der Türkei durch Wahlen und zivilgesellschaftliche Aktivitäten nicht denkbar sei. So gewinnt die militärische Option, über den bewaffneten Kampf die kurdischen Interessen durchzusetzen, mehr Attraktivität.

Welche Tendenz die kurdischen Debatten einschlagen, hängt sehr stark davon ab, wie sich die Öffentlichkeit und die nicht-kurdischen Kräfte verhalten werden. Wenn in der Türkei die Bildung von Bündnissen für den Frieden gelingt, wie es von der HDP angestrebt wird, und gleichzeitig die europäische Öffentlichkeit und die westlichen Staaten ebenfalls sich gegen den Kriegskurs der türkischen Regierung stellen, könnte die AKP-Regierung wieder zu einem Ende des Krieges gebracht werden. Wenn dies aber nicht gelingt und die HDP mit ihrer Strategie alleine gelassen wird, dürften mit der Fortdauer des Krieges in der Türkei die militanten Kräfte stärker werden. Jeder getötete PKK-Kämpfer führt zur weiteren militärischen Aktionen der PKK - gewissermaßen ein Teufelskreis.

Jetzt liegt eine große Verantwortung bei einer deutschen Öffentlichkeit und den politischen Kräften jenseits des linken Randes, sich stärker für einen Frieden in der Türkei zu engagieren. Das ist allerdings bisher nur wenig passiert. Seite 7

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