Google heißt jetzt Alphabet
Der IT-Riese ordnet seine Geschäfte um und gibt sich einen neuen Namen
Eine neue Internetseite ist in den unendlichen Weiten des World Wide Web eigentlich keine Nachricht wert. Doch diese Seite hat das Zeug, das neue Zentrum des digitalen Universums zu werden. Eigentlich ist sie es schon. Abc.xyz heißt sie äußerst kryptisch. Als ob jemand die sechs Buchstaben als Platzhalter verwendet hätte. Und sie hat noch fast keinen Inhalt. Lediglich ein Text ihres Chefs steht drauf. Und der ist in der Tat so etwas wie der Pate des Internets. Larry Page - vormals bekannt als Mitbegründer und Vorstandschef von Google. Nun Chef von Alphabet. Denn Google wird zu Alphabet umgebaut.
»Unser Unternehmen läuft heute gut, aber wir denken, dass wir es klarer und verantwortlicher machen können«, schreibt Page auf seiner neuen Website. Deswegen habe man eine neue Gesellschaft geschaffen - Alphabet. Sie ist ein ganzes Unternehmenskonglomerat, »eine Sammlung von Unternehmen«, wie Page schreibt. Google ist demnach nur noch ein Teil, dieses Konzerns, auch wenn die Suchmaschine »natürlich« der größte des neu geschaffenen Imperiums bleibe.
Offenbar soll der selbstbewusste Name der neuen Dachgesellschaft »Alphabet«, die unter www.abc.xyz zu erreichen ist, signalisieren: Wir stehen noch immer am Anfang und werden zu jedem Buchstaben ein Geschäftsfeld erfinden.
Tatsächlich werden aber nicht alle Buchstaben im Google-Alphabet auch separate Einheiten. Klassische Dienste wie Android, Youtube, Google Apps, Google Play, Gmail, der Browser Chrome und das wenig erfolgreiche soziale Netzwerk Google+ bilden mit dem klassischen Such- und Werbedienst den Kernbereich Google Inc.
Eigenständig unter dem Dach von Alphabet werden daneben das Biotechnologieunternehmen Calico, das Futurismuslabor Google X, das u.a. mit selbstfahrenden Autos und Postdrohnen experimentiert, die Investitionssparte Google Ventures/ Google Capital, die Entwicklungen auf dem IT-Markt beobachtet und neue Geschäftsideen finanziert, der Heimautomatisierer Nest, der Netzprovider Google Fiber sowie die Sparte Google Sidewalk, die sich mit IT-gestützten »Smart Cities« befasst.
Quelle: dpa, Grafik: nd
Für Page liegt der Sinn in dieser Unternehmensumgestaltung darin, »dass die Alphabet-Firmen ihre Selbstständigkeit haben und eigene Marken entwickeln sollen«. Schließlich werden damit Googles Hauptgeschäftsfelder wie die gleichnamige Internetsuchmaschine, die Videoplattform YouTube und das Smartphone-Betriebssystem Android vom eher spekulativen Rest abgetrennt werden.
Auf den alten Posten von Larry Page kommt Sundar Pichai. »Glückwunsch zur Beförderung«, schrieb ihm Apple-Chef Tim Cook über »Twitter«. Dessen Konzern ist auf dem Börsenparkett noch mit weitem Abstand vor Google das teuerste Unternehmen der Welt. Doch wird Cook vermutlich hoffen, dass Pichai seinen Job nicht zu gut macht. Zumindest nicht bei Android. Denn Google und Apple sind bei Smartphones so etwas wie Pepsi und Coca-Cola für Erfrischungsbrausen. Zwei unerbittliche Konkurrenten auf einem heiß umkämpften Markt, auf dem Google mit Android derzeit die Nase vorn hat.
Dabei gibt Google anders als Apple lediglich sein Betriebssystem an Smartphone-Hersteller wie Samsung oder Huawei ab. Und dies ist bisher auch die Schwachstelle des Internetkonzerns. Der Konzern produziert keine Waren oder Dienstleistungen, die er direkt an den Endkonsumenten verkauft. Das meiste Geld macht er mit Online-Werbung rund um seine für den Verbraucher kostenlosen Suchmaschinen und Plattformen.
Damit lag der Internetriese bis jetzt auch richtig: Zwischen 2010 und 2014 hat sich sein Umsatz von rund 29 auf 66 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt. Der Gewinn vor Steuern und Zinsen stieg im selben Zeitraum von 8,5 auf fast 14 Milliarden US-Dollar. Für einige Börsianer wuchs das Unternehmen zuletzt jedoch schon langsamer als erwartet. Der Grund dafür ist, dass die Google-Kunden immer weniger Geld für ihre Anzeigen bei der Suchmaschine hinblättern.
Googles Gehversuche jenseits des Kerngeschäfts waren bis jetzt von wenig wirtschaftlichem Erfolg gekennzeichnet. Den Handyhersteller Motorola etwa reichte der Konzern Anfang 2014 nach weniger als zwei Jahren mit deutlichem Verlust an den PC-Hersteller Lenovo weiter. Andere Bereiche, in denen sich Google versucht - etwa die Entwicklung eines Drohnendienstes -, klingen auch im Zeitalter zunehmender Automatisierung und Digitalisierung noch sehr nach Zukunftsmusik und verbrennen derzeit vor allem Geld.
Dass sich Google bewegen muss, weiß auch Page: »Wir glauben schon lange, dass Unternehmen es sich mit der Zeit damit bequem machen, dieselben Dinge zu tun, nur kleinere Veränderungen vorzunehmen«. Schon in der Vergangenheit habe man »verrückte Dinge« wie Google Maps oder Android gemacht, die jetzt über eine Milliarde Nutzer hätten. Dies wolle man weiterführen. Und Page wird jetzt näher an den neuen Projekten dran sein.
Bei Experten und in der Finanzwelt erhielt er Beifall für seine Entscheidung. Im nachbörslichen elek- tronischen Handel kletterte die Google-Aktie um mehr als sechs Prozent nach oben. Der Branchenfachmann Colin Gillis hofft, dass nun deutlicher wird, wie viel Geld das Unternehmen in neue Projekte investiert. »Es wurde viel spekuliert, wie viel Geld sie in diese anderen Geschäftsfelder stecken«, sagte Gillies dem Finanznachrichtendienst Bloomberg. »Das wird jetzt ein Ende haben.«
Vor allem kann Google diese spekulativen Unternehmungen nun einfacher einstampfen, wenn sie sich als Irrweg erweisen - oder sie verkaufen, wenn dies sinnvoll erscheint. So arbeitet der Internetkonzern derzeit an Roboterautos, die autonom fahren können. Was nützt es ihm jedoch, wenn er eine Software entwickelt, die bestens funktioniert, aber kein gutes Auto produziert, weil ihm dafür das Know-how fehlt? Ein Verkauf oder ein Joint Venture mit einem klassischen Autohersteller wäre eine Lösung. Ähnliches hat Nokia bereits getan. Der finnische Konzern verkaufte jüngst seinen Kartendienst Here an eine Allianz von Audi, BMW und Mercedes.
Der Auftritt von Alphabet verführte übrigens auch gleich Unbekannte zu einem kleinen Witz. Sie legten eine Internetseite mit der Adresse »abc.wtf« an. Das Kürzel wtf steht im Allgemeinen für den englischen Ausdruck. »what the fuck« - frei übersetzt heißt dies »was für ein Mist«. Die Vermutung liegt nahe, dass dieser kleine Streich aus dem Umfeld des Konkurrenten Microsoft kommt. Besucher der Seite werden nämlich auf Microsofts Suchmaschine Bing umgeleitet. Diese wird derzeit eher mäßig genutzt. Schließlich gibt es ja Google.
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