Flüchtlingskrise überfordert Griechenland
UN warnt vor einer humanitären Katastrophe / Deutsche Rote Kreuz startet Hilfsaktion
Genf/Athen/Berlin. Das schwer unter der Wirtschaftskrise leidende Griechenland ist nach UN-Einschätzung durch immer weiter steigende Flüchtlingszahlen überfordert und braucht dringend Unterstützung. Seit Jahresbeginn seien rund 160 000 Migranten nach Griechenland gekommen, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Dienstag in Genf mit. Das Deutsche Rote Kreuz reagierte auf die Notlage und kündigte umfangreiche Hilfe zur Versorgung von Flüchtlingen auf der griechischen Insel Lesbos an.
Allein im Juli seien es rund 50 000 Menschen gewesen - etwa 7000 mehr als im gesamten vergangenen Jahr. Wie sehr sich die Lage zuspitzt, macht laut UNHCR die jüngste Zahl zum Flüchtlingsdrama in Griechenland deutlich: An den sieben Tagen vom 8. bis 14. August erreichten 20 843 Flüchtlinge das Land - so viele wie 2014 in sechs Monaten.
»Wir warnen seit Monaten, dass die Flüchtlingskrise in Griechenland immer schlimmer wird«, sagte UNHCR-Sprecher William Spindler. »Die Infrastruktur für Aufnahme, Betreuung und Registrierung auf den griechischen Inseln und auf dem Festland muss dringend gestärkt werden.«
Die UN-Organisation rät der Regierung in Athen, ein Sondergremium zu schaffen, das alle Aktivitäten zur Aufnahme und Unterstützung der Flüchtlinge koordiniert. »Europäische Staaten sollten Griechenland dabei unterstützen«, fordert das UNHCR. Die meisten der in den vergangenen Wochen nach Griechenland geflohenen Menschen kamen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Fast alle erreichten Griechenland auf dem gefährlichen Seeweg über das Mittelmeer.
Auch am Dienstag riss der Zustrom nicht ab. Hunderte Migranten seien vor und auf den Inseln Kos, Lesbos, Samos, Leros, Kalymnos und Chios aufgegriffen worden, teilte die griechische Küstenwache mit. Die Menschen stammten überwiegend aus Syrien. Die meisten wollten nach Deutschland weiterreisen, wie sie Reportern auf den Inseln sagten.
Auch im Zentrum der Hauptstadt Athen waren am Dienstag Hunderte von Migranten zu sehen. Seit etlichen Tagen warten Tausende auf Lesbos auf eine Fähre, die sie zum Festland bringt. Obwohl viele Menschen von den Behörden registriert sind, können sie nicht weiterreisen, weil die Fähren wegen der Tourismus-Hochsaison ausgebucht sind.
Angesichts der »katastrophalen Situation« hat das Deutsche Rote Kreuz (DRK) inzwischen eine Hilfsaktion in Griechenland gestartet. Bis Ende des Jahres will die Organisation an mehr als 19 000 neu ankommende Flüchtlinge auf der Insel Lesbos und in der Region Attika Hygienepakete ausgeben.
»Den Menschen fehlt es am Nötigsten, sie kommen kaum mit mehr, als sie am Leib tragen«, sagte DRK-Präsident Rudolf Seiters laut einer Pressemitteilung. »Die Situation der Flüchtlinge auf Lesbos, dem «Tor zu Griechenland» von der türkischen Küste aus, ist desolat.«
Allein im Juli seien 9000 Menschen auf der Insel angekommen. Das örtliche Erstaufnahmelager sei aber nur für 700 Menschen ausgelegt. Die Neuankömmlinge seien oftmals geschwächt, es fehle an medizinischer Versorgung, sauberem Wasser und Nahrungsmitten, viele schliefen auf dem blanken Boden.
»Um die Verbreitung von Krankheiten in dieser Situation zu vermeiden, ist die Verbesserung der hygienischen Lebensbedingungen extrem wichtig«, erklärte Seiters. In den Hygienpaketen befänden sich unter anderem Zahnpasta, Seife, Waschmittel, Shampoo oder auch Baby-Pflegeprodukte und Windeln, die pro Person für zwei Monate vorhalten sollen. Das Hilfsprojekt werd mit finanzieller Unterstützung des Auswärtigen Amtes realisiert.
Angesichts des Welttages der humanitären Hilfe am 19. August rief Seiters zu mehr Solidarität bei der Versorgung und Aufnahme von Flüchtlingen innerhalb der EU auf. »Wenn Menschen vor bewaffneten Konflikten, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen in ihren Heimatländern fliehen, so sind wir alle aufgerufen, zu helfen.« Einige EU-Länder müssten hier aber mehr leisten als bisher. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.