Kurdenregion bietet Erdogan die Stirn

Premier Davutoglu gibt Regierungsbildung auf / Orte im türkische Südosten erklären sich für autonom

  • Jan Keetman
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach gescheiterten Koalitionsgesprächen in der Türkei hat Ministerpräsident Davutoglu das Mandat zur Regierungsbildung zurückgegeben. Jetzt sind Neuwahlen wahrscheinlich.

Die Türkei steht vor Neuwahlen. Zwar sind sie noch nicht beschlossen, aber Ministerpräsident Ahmet Davutoglu hat den Auftrag, eine Regierung zu bilden, an Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zurückgegeben. Dieser will dem Vernehmen nach den Auftrag zur Regierungsbildung nicht an die Opposition weitergeben, sondern strebt Neuwahlen schon nach zwei Monaten an.

Wenn Erdogan Neuwahlen ausruft, muss er nach der Verfassung einen Übergangs-Ministerpräsidenten bestimmen. In der Übergangsregierung müssen alle Parteien entsprechend ihrer Stärke im Parlament vertreten sein.

Doch so dramatisch die Entwicklung in Ankara auch ist, sie wird noch überschattet durch die Entwicklung im Osten des Landes. Hier ist der Krieg mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) völlig außer Kontrolle geraten. Es begann mit tagelangen schweren Bombardements der türkischen Luftwaffe gegen Lager und Stellungen der PKK in Irak und im Grenzgebiet. Nebenbei mussten, damit die Sache in Washington besser ankommt, auch noch drei Flugzeuge am ersten Tag ein paar Raketen in Richtung Islamischer Staat abschießen. Zuletzt ist es um die teuren Luftangriffe still geworden.

Die PKK gibt es dagegen noch immer - und wie. In einigen Städten im hauptsächlich von Kurden bewohnten Südosten der Türkei wie Silopi, Cizre, Lice und Silvan haben Mitglieder der Jugendorganisation der PKK praktisch die Macht auf den Straßen übernommen.

Um Polizei und Militär fernzuhalten, wurden Gräben gezogen und Barrikaden errichtet. Große Steine auf Straßen verhindern Durchfahrten. Am Ende von Gassen wurden Tücher aneinander gebunden und zwischen die Häuser gehängt, um der Staatsmacht den Blick in die Gassen zu verwehren. Polizei und Militär trauen sich wegen der Gefahr von Minen teilweise auch mit gepanzerten Fahrzeugen nicht mehr in alle Stadtviertel.

Zuvor hatten sich einige Gemeinden auf Geheiß der »Union der Gemeinschaften Kurdistans« (KCK) für autonom erklärt. Die KCK sind eine PKK-nahe Organisation, die sich auf deren gefangenen Führer Abdullah Öcalan beruft und eine kurdische Autonomie vorbereiten soll.

Die örtliche Verwaltung, Innenministerium und Militär reagieren teilweise hilflos auf die Aufstände. Ausgangsperren werden verhängt, Zufahrtswege blockiert, Stromnetze abgeschaltet. Von Zeit zu Zeit kommt es zu Kämpfen mit Toten auf beiden Seiten. Die Häuser haben häufig keine Keller, die Wände sind dünn, Schüsse können sie durchschlagen, nicht zu reden von den Granaten aus den Rohren türkischer Panzer, die in Silvan bereits im Einsatz sein sollen.

Als Machtdemonstration der PKK sind die Aufstände gelungen. Sie zeigen, dass die türkische Luftwaffe in Irak so viele Bomben werfen kann, wie sie will: Die PKK bekommt sie damit nicht weg.

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