15 Sekunden Schäuble, 30 Jahre Kohl
Vom »Ehrenwort« zum »Blackout«: Der Finanzminister widerspricht dem Altkanzler in Sachen CDU-Spendenaffäre
Oft reichen Sekunden, um Jahrzehnte aufzurufen. So nun in einem Film über Wolfgang Schäuble, der am Montag in der ARD laufen soll. Darin wird der Minister wohl hauptsächlich schildern, wie er die Griechenstrolche in den Staub warf. Doch 15 beiläufige Interviewsekunden erinnern an Jahrzehnte krimineller Machenschaften um seine Partei, die bis heute nicht vollständig geklärt sind.
Auf die »Spender« jener rund zwei Millionen DM angesprochen, die zu nennen sich Helmut Kohl vor 15 Jahren mit Berufung auf ein »Ehrenwort« geweigert hatte, sagt Schäuble: »Es gibt keine. Es gab aus der Zeit von Flick schwarze Kassen.«
Auch wenn Schäuble dann nachschiebt, vielleicht habe es doch Spender gegeben, ruft er damit nicht nur die Affäre von 1999/2000 auf. Sondern auch jene Zeit, als es auf die bürgerlichen Parteien »Bimbes« nur so regnete. Der Ausdruck »Flicks Zeiten« verbindet Kohls »Ehrenwort« mit jenem einst nicht minder sprichwörtlichen »Blackout«, der ihn vor 30 Jahren vor einem Untersuchungsausschuss in Mainz ereilte.
Befragt wurde Kohl damals, weil das von ihm zwischen 1969 und 1976 regierte Rheinland-Pfalz in den 1960ern und 1970ern eine Parteienschwarzgeldfabrik war. Die »Staatsbürgerliche Vereinigung von 1954« (SV) und eine Reihe von ähnlichen »gemeinnützigen« Institutionen halfen damals von Rheinland-Pfalz aus Industriellen, besonders CDU/CSU und FDP anonym und über Umwege mit Millionen zu füttern und das auch noch von der Steuer abzusetzen. Dies war illegal: Steuerhinterziehung auf Seiten der Spender und Beihilfe auf Seiten der Nehmer. Die Masche flog im Zusammenhang mit der Affäre um den Flick-Konzern auf. Anfang der 1980er war zunächst herausgekommen, dass aus dem Konzern Bargeld direkt an führende Politiker geflossen war, darunter mehr als eine halbe Million an Kohl, wie der 1982 einräumen musste. Bestimmt gewesen sei das Geld für seine politische Karriere.
Weitere Nachforschungen deckten dann die Geldwäsche in Instituten wie der SV auf. Ein System, von dem Landesvater Kohl wusste und das er deckte. Doch vor dem Ausschuss tat er, als höre er davon »zum ersten Mal«, so damals der »Spiegel«. Ermittelt wurde gegen ihn wegen uneidlicher Falschaussage, 1986 wurde das Verfahren eingestellt.
Die mögliche Brücke von dieser wilden Zeit zur jüngeren Parteispendenaffäre der CDU ist nun die Tatsache, dass erhebliche Beträge aus diesem Schwarzgeldsystem zunächst verschwanden - um Jahre später tranchenweise aufzutauchen. Gerade um die Jahrtausendwende war das wohl der Fall. Zumindest entsprachen die rund acht Millionen DM, von denen die Hessen-CDU im Januar 2000 zugeben musste, sie in den frühen 1980ern ins Ausland verschoben zu haben, recht genau einem Betrag, dessen Verbleib bei der SV nie geklärt werden konnte. Doch noch immer gelten etliche Millionen aus der 1990 aufgelösten SV - ob von Flick oder anderen - als abgängig.
Ist also das die wahre Quelle der zwei Millionen, von denen Kohl behauptet, sie erst in den 1990ern gesammelt zu haben? Der kranke Altkanzler wird nichts mehr sagen. Ermitteln wird wegen dieser Interviewaussage auch niemand. Wer mehr über diese Schätze wissen will, wird auf den nächsten Honigtopf warten müssen, der in der CDU irgendwann gefunden werden wird.
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