SPD steht sich selbst im Wege
Furcht vor schwarz-grünen Bündnissen im Westen lähmen Koalitionsspielraum im Osten
Schon im Februar hatten sich CDU, Grüne und FDP in Nordrhein-Westfalen geeinigt, die Kölner Sozialdezernentin Henriette Reker als gemeinsame Kandidatin zur Oberbürgermeisterwahl in Köln aufzustellen, um den SPD-Amtsinhaber Jochen Ott abzulösen. Dies lässt in der SPD-Bundesgeschäftsstelle die Alarmglocken schrillen. Mit dieser Wahl im September erwartet man den Auftakt für ein »Roll-Back« zu den Landtagswahlen 2016, wie es in einem internen Strategiepapier aus dem Willy-Brandt-Haus heißt. Und womöglich darüber hinaus?
Immerhin besteht die rechnerische Möglichkeit, dass in Sachsen Anhalt, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin die SPD von schwarz-grünen Koalitionen aus der Regierung gedrängt werden könnte. Passend dazu habe das CDU-Spitzenpersonal in den Ländern »flächendeckend für alle Bundesländer« Öffnungserklärungen für Koalitionen mit den Grünen abgegeben, heißt es in dem Papier, das in der Abteilung II der SPD-Parteizentrale verfasst wurde, die sogenannte politische Abteilung.
Im CDU-Bundesparteitag im Februar 2014 sehen die SPD-Strategen die vollzogene Öffnung für eine »schwarz-grünen Machtoption« auch auf Bundesebene. Dies sei inzwischen selbst in der grünen Wählerschaft mehrheitsfähig. Hatten im Oktober 2013 noch 45 Prozent der Anhänger der Öko-Partei in einer DeutschlandTrend-Umfrage ein Bündnis mit der Union abgelehnt, während 42 Prozent dafür waren, hat sich das Verhältnis nunmehr eindeutig zugunsten von Schwarz-Grün gewandelt. Nach einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen vom November 2014 zogen bereits 57 Prozent der grünen Wähler eine Koalition mit der CDU einem rot-rot-grünen Bündnis vor.
In Nordrhein-Westfalen zählt der Landesvorsitzende der CDU, Armin Laschet, zu den eifrigsten Werbern für Schwarz-Grün. Und die Unterstützung der parteilosen, aber einst für von den Grünen als Dezernentin aufgestellten Henriette Reker ist eine gewichtige politische Morgengabe. Immerhin geht es um den OB-Posten in der einzigen Millionenstadt in NRW. Bei der Präsentation der Wahlkampagne der Kandidatin Ende des letzten Monats ließ es sich Laschet nicht nehmen, gemeinsam mit der grünen Vizeministerpräsidentin Sylvia Löhrmann und FDP-Chef Christian Lindner zu posieren. Löhrmann benutzte diesen Termin jedoch auch, um Laschet einmal mehr eine Absage für eine Koalition auf Landesebene zu erteilen. Das Kölner Bündnis sei dafür »keinesfalls« eine Referenz.
Auch in der Union ist ja die schwarz-grüne Machtoption keineswegs unumstritten - anders, als die SPD-Strategen in ihrem Papier es einschätzen. In Baden-Württemberg will CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf eher Schwarz-Gelb wieder beleben. In Mecklenburg und Sachsen-Anhalt lassen die dortigen CDU-Spitzen beim Thema Schwarz-Grün keinen besonderen Ehrgeiz erkennen. Zwar liegen auch in diesen Ländern schwarz-grüne Öffnungserklärungen von Seiten der Union vor, jedoch hat sich die Partei in den bestehenden Koalitionen mit der SPD eingerichtet.
In Berlin hingegen umwirbt CDU-Generalsekretär Kai Wegener die Grünen »als spannende Alternative« zur Fortsetzung der herrschenden Großen Koalition. Auch nach der klaren Ablehnung der Homo-Ehe in einer CDU-Mitgliederbefragung wollte die Berliner Fraktionsvorsitzende der Grünen, Ramona Popp, im Interview mit der »tageszeitung« eine Koalition mit der CDU nicht ausschließen.
In Rheinland-Pfalz wirbt CDU-Oppositionsführerin Julia Klöckner ebenfalls für Schwarz-Grün, hat aber von den Grünen bereits einen Korb bekommen. »Unser Ziel ist, mit starken Grünen die rot-grüne Regierungsarbeit nach 2016 fortzusetzen, sagte der Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler. Allerdings gilt die grüne Wirtschaftsministerin Eveline Lemke als offen für ein Bündnis mit der Union. Klöckner, deren Landespartei mit 42 Prozent derzeit das stärkste Regionalergebnis der CDU bei Umfragen aufweist, wird das noch nicht beunruhigen. Sie kann aus einer Position der Stärke agieren und abwarten, dass der derzeit negative SPD-Bundestrend die Regierung der durchaus beliebten SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer nach unten zieht.
Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass in dem Strategiepapier der SPD rot-rote Schnittmengen, etwa in der Sozialpolitik, eingeräumt werden, eine Regierungsoption jedoch aufgrund wahltaktischer Überlegungen ausgeschlossen wird. Zum einen, weil man sich Gegenkampagnen der Union nicht gewachsen fühlt. Zum anderen, weil «eine Rot-Rot-Grün Debatte zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt» die «Hintergrundmusik» für die gleichfalls im Frühjahr 2016 stattfindenden beiden Wahlen in den südwestdeutschen Ländern liefern« könnte. Die Wahlen im Westen hätten aber für die SPD die »herausgehobene Bedeutung«. Mit anderen Worten: Rot-Rot-Grün als Machtoption im Osten stört die SPD beim Wahlkampf im Westen.
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