Neue Debatte über Waffen in den USA
Entsetzen nach Mord an zwei Journalisten
Auch die Schweigeminute am Donnerstagmorgen für ihre Kollegen war live zu erleben, deren Ermordung 24 Stunden zuvor selbst für US-Verhältnisse ein selten makabres Verbrechen. Eigentlich der Stoff, aus dem die Fernsehnetworks Filme machen. Doch was die Zuschauer auf dem Lokalsender WDBJ7 ansehen mussten, war das reale Leben. Mitten in einem Interview fallen Schüsse, eine junge Reporterin und ihr Kameramann sterben. Für alle, die nicht vor dem Bildschirm saßen, stellte der Täter ein Video ins Internet. Denn der mutmaßliche Schütze, ein ehemaliger Kollege, hatte das Prinzip der Dogma-Filmer zur Perversion getrieben und seine Bluttat mit einer Helmkamera aufgenommen.
Er ist Afroamerikaner, die Opfer sind weiß, er fühlte sich Ermittlern zufolge von der Reporterin diskriminiert. Und in einem wirren »Manifest« soll er nach Informationen des Senders ABC einerseits über solcherart Rassendiskriminierung geklagt sowie an das Kirchenmassaker eines weißen Rassisten in Charleston erinnert und zugleich kein Hehl aus seiner Bewunderung für Amokläufer wie den in Columbine 1999 gemacht haben. Nach seinen letztlichen Bewegründen kann der Mann nicht mehr befragt werden, er hat sich erschossen.
Nun flammt ein alte Debatte in den USA wieder auf, denn tödlicher Schusswaffengebrauch gehört dort zum traurigen Alltag. Und nach jedem neuen unschuldigen Opfer wird die Frage nach den viel zu laxen Gesetzen gestellt. Waffentragen und Waffenbesitz sind durch einen Zusatzartikel zur Verfassung aus dem Jahr 1791 geschützt. Mehr als in jedem anderen Land befinden sich heute in Privatbesitz, bis zu 310 Millionen. Fast ein Drittel der erwachsenen US-Bürger besitzt mindestens eine Handfeuerwaffe oder ein Gewehr. Zuletzt sprach ihnen der Oberste Gerichtshof 2008 ein Grundrecht auf Waffenbesitz. Zwei Jahre später kippten die Richter auch das strikte Waffenverbot in Chicago. Wieder einmal hatte die National Rifle Association, die schier allmächtige Organisation der Waffenbesitzer, gesiegt.
Es breche ihm »jedes Mal das Herz«, wenn er von derartigen Vorfällen höre, bekannte Präsident Barack Obama nach dem Doppelmord in Virginia. Er erinnerte daran, dass in den USA die Zahl der Schusswaffenopfer um ein Vielfaches höher liege als jene von Opfern terroristischer Attacken. Allein 2013 seien 33 636 Menschen erschossen worden, so eine im Fachjournal »Injury Prevention« gerade vorgestellte Studie. Die jüngste Tat sei ein weiterer Beweis dafür, dass die Gesetze endlich verschärft werden müssten, so das Weiße Haus. Obama hatte nach diversen Massakern in seiner Amtszeit mehrfach Anlauf zu Gesetzesänderungen genommen, war jedoch immer wieder am Widerstand der Waffenlobby und ihres politischen Arms im Kongress, den Republikanern, gescheitert. Auch jetzt wird es beim Appell bleiben.
Eine konkrete Maßnahme allerdings gibt es dann doch: Der Einzelhandelsriese Walmart verkündete just am Tag des Mordes, dass man das halbautomatische Gewehr vom Typ AR-15 sowie andere Waffen aus dem Sortiment nehmen werde. Die Nachfrage sei gesunken.
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