Vorwurf: Sachsen kapituliert vor Nazis

Auseinandersetzung um Demoverbot in Heidenau / Anschlag auf bewohntes Flüchtlingsheim bei Hameln

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 2 Min.
Wegen eines dreitägigen Versammlungsverbots für die sächsische Stadt Heidenau wird dem Land eine Kapitulation vor dem rechten Mob vorgeworfen.

Sachsen steht wegen eines dreitägigen Versammlungsverbots in Heidenau bundesweit in der Kritik. Der drakonische Schritt für die 16 000-Einwohner-Stadt wurde vom zuständigen Landkreis mit einem polizeilichen Notstand begründet. Es sei nicht gelungen, die Lücke zwischen verfügbaren Polizeikräften und dem Bedarf zur Absicherung mehrerer Demonstrationen zu schließen, sagte CDU-Innenminister Markus Ulbig. Die Aufhebung des Verbots durch das Dresdner Verwaltungsgericht suchten die Sicherheitsbehörden am Freitag wieder zu kippen. Dagegen hatte Martin Dulig, Vize-Regierungs- und SPD-Landeschef, die Rücknahme des Verbots gefordert.

Die Gewerkschaft der Polizei sah den Schritt als »verheerende« Botschaft. Das sei ein »Kniefall vor dem Mob«, sagte Bundesvize Jörg Radek. LINKE-Bundeschefin Katja Kipping sprach vom Notstand der Demokratie. Grünen-Bundeschef Cem Özdemir reiste demonstrativ zu einem Willkommensfest für die Flüchtlinge, die seit einer Woche in einem Baumarkt untergebracht sind. Das Fest, das ebenfalls vom Verbot betroffen gewesen wäre, fand am Nachmittag mit rund 200 Menschen auf dem Areal des Baumarktes statt.

Die jüngsten Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte haben unterdessen eine neue Dimension erreicht: Nachdem zuletzt unbewohnte Flüchtlingsheime Ziel von Anschlägen waren, verübten Unbekannte bei Hameln in der Nacht zum Freitag einen Brandanschlag auf eine von etwa 40 Flüchtlingen bewohnte Unterkunft. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi nannte den Anschlag »offenen Terrorismus«.

In Sachsen wächst wegen des angeblichen Polizeinotstands der Druck auf die Regierung und vor allem auf Ulbig. DGB-Chefin Iris Kloppich sagte, dieser müsste »eigentlich die Konsequenzen« dafür ziehen, dass die Innenpolitik in einem »erbärmlichen Zustand« sei. Ulbig sagte indes, er übe sein Amt »gern weiter aus«. LINKE-Landeschef Rico Gebhardt kritisierte, mit den Besuchen von Vizekanzler Sigmar Gabriel sowie Kanzlerin Angela Merkel habe es eine »Woche der politischen Prozession« nach Heidenau gegeben, »und am Wochenende siegt dann der rechte Mob«. Die Grünen merkten an, es handle sich um das dritte Versammlungsverbot 2015 in Sachsen. Durch Stellenabbau bei der Polizei sei »der Rechtsstaat zu Tode gespart« worden. In sozialen Netzwerken wurden die Vorgänge unter dem Stichwort »Sachsen kapituliert« kommentiert. Ein Grünenpolitiker aus Dresden regte an: »Neue Landesfahne: weiß«.

Seiten 2, 3, 5 und 13

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