Lange vor dem Export
Die Ablehnung von Waffenexporten könnte der Friedensbewegung helfen, die eingeschlafene Debatte um Rüstungskonversion wieder zu beleben
Die Friedensbewegung hat in den vergangenen Jahren recht erfolgreich die Exporte von Kampfpanzern oder Kleinwaffen in Kriegsgebiete skandalisiert. Das »Geschäft mit dem Tod«, das hat sich dabei gezeigt, kann eigentlich nur stattfinden, wenn es im Geheimen abgewickelt wird. Wird es öffentlich, ist ein Aufschrei quer durch die Gesellschaft gewiss. Nun wird die Friedensbewegung grundsätzlicher und will die eingeschlafene Debatte um Rüstungskonversion wiederbeleben. »Die Lieferungen zu stoppen, ist wichtig, aber das Problem fängt bereits bei der Produktion von Kriegsgerät an«, sagt Willi van Ooyen für den Bundesausschuss Friedensratschlag, der zusammen mit der Kooperation für den Frieden neue Initiativen Richtung Konversion fordert.
Die Umstellung militärischer Produktion auf zivile Fertigung klingt utopischer als ein Exportverbot, inhaltlich ist die Forderung logische Antwort auf den scheinbaren Druck, dass einmal produziertes Gerät auch irgendwo abgesetzt werden muss und auf die Sorge der Rüstungsbeschäftigen um ihren Arbeitsplatz. Vor Jahren war Konversion ein größeres Thema, es gab gewerkschaftliche Arbeitskreise und staatliche Konversionsprogramme in Bremen und Schleswig-Holstein. Durch die Abwicklung der NVA und den Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus der DDR wurde der Osten der Republik ein stückweit entmilitarisiert. Eine breite Umstellung militärischer Produktion auf zivile gab es jedoch nicht, stellen die beiden Dachverbände in ihrem gemeinsamen Positionspapier fest. Das ändert für sie nichts an der Überzeugung, dass die Umstellung möglich ist, wenn auch nicht von heute auf morgen. Durch eine Garantie auf einen zivilen Arbeitsplatz soll den Beschäftigten die Zukunftsangst genommen werden. Wobei die Sorgen, folgt man dem Argument der Friedensbewegten, angesichts der hohen Qualifikation vieler Angestellter unbegründet sein sollten. In Zeiten des Fachkräftemangels dürften sie anderswo mit Kusshand genommen werden.
Mit über 130 Veranstaltungen erinnern Gewerkschaften und Friedensgruppen am 1. September an den deutschen Überfall auf Polen vor 76 Jahren, mit dem ein Vernichtungskrieg ohne Beispiel begann.
Viele Aufrufe betonen den Zusammenhang zwischen den zahlreichen Kriegen und gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Welt, zwischen Not und Armut und den Flüchtlingen, die davor ins vermeintlich sichere Europa fliehen. Die Friedensbewegung macht die Bundesrepublik mit verantwortlich für die Ursachen von Krieg und Flucht in Afrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten. Der massive Anstieg deutscher Kriegswaffenexporte habe die Eskalation der Konflikte forciert und die humanitäre Katastrophe verschärft. Der DGB fordert anlässlich des Antikriegstags eine menschenwürdige Aufnahme der Kriegsflüchtlinge sowie Perspektiven auf soziale und wirtschaftliche Integration in Europa. Weitere Themen am Antikriegstag sind der Ukraine-Konflikt sowie die deutschen Rüstungsexporte.
Der Antikriegstag geht auf eine Tradition nach dem Ersten Weltkrieg zurück. Damals erklärten SPD und Gewerkschaften den 1. August - Kriegsbeginn 1914 - zum Friedenstag. Nach 1945 wurde daran in der DDR und wenig später in der Bundesrepublik angeknüpft. Im Osten wurde an den Beginn des Zweiten Weltkriegs als »Weltfriedenstag« erinnert, im Westen hieß er »Antikriegstag«.
Ins Gespräch kommen wollen Friedensratschlag und Kooperation vor allem mit Gewerkschaften, die beim Antikriegstag oder den Ostermärschen an der Seite von Friedensinitiativen demonstrieren, zugleich aber den Widerspruch zwischen ihrem friedenspolitischen Engagement und dem Interesse der Rüstungsbeschäftigen nicht gelöst haben, die ihre Arbeitsplätze erhalten wollen. Offenbar ist der Ansatz auch innerhalb der Friedensbewegung aus dem Blick geraten. »Konversion sollte im Themenkatalog der Friedensbewegung verankert werden«, fordern die Dachverbände größere Aufmerksamkeit in den eigenen Reihen.
In ihrem Papier formulieren sie vier Überlegungen, die in eine neue Konversionsstrategie einfließen sollten. Konversion ist demnach nicht das Problem eines einzelnen Betriebs, sondern eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Folglich sei auch der Bund in der Verantwortung. Dabei müsse die gesamte Dual-use-Produktion und -Forschung einbezogen werden, damit nicht durch die Hintertür zivile Entwicklungen militärisch genutzt werden. Zudem sei die Überführung von Rüstungskonzernen in gesellschaftliches Eigentum zu erwägen, um steuernd eingreifen zu können, genauso wie der Prozess nicht ohne Mitbestimmung der Beschäftigungen, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft funktionieren könne.
Statt Richtung Konversion stellt die Bundesregierung die Weichen derzeit in die entgegengesetzte Richtung und plant eine massive Aufrüstung der Bundeswehr. Rüstungskonzerne frohlocken angesichts der zusätzlichen Milliarden, mit denen das Verteidigungsministerium bis 2019 auf Einkaufstour gehen kann. In den Gewerkschaften scheint die Debatte hingegen in die richtige Richtung zu laufen. Man darf es nicht überbewerten, aber immerhin haben sich der DGB und wichtige Bezirke der IG Metall in den vergangenen Monaten in diversen Beschlüssen für Rüstungskonversion ausgesprochen. Auch bei den anstehenden Bundeskongressen von ver.di und IG Metall werden solche Fragen zur Sprache kommen.
Im Debattenpapier des IG-Metall-Vorstands zum Gewerkschaftstag ist im Abschnitt »Aktive Friedenspolitik« zu Konversion explizit nichts zu finden, allerdings haben einzelne Gliederungen Anträge dazu gestellt. So fordert der Ortsvorstand der IG Metall Schwäbisch Hall von seiner Gewerkschaft, im DGB eine breite Debatte über Rüstungskonversion anzustoßen. All das wird von Friedensbewegten als Zeichen für eine gewachsene Sensibilität gewertet.
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