Diskussionen auf Augenhöhe

Theaterscouts geben Einblick in die Off-Szene Berlins

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Deutsches Theater, BE, Schaubühne - kennt man. Vielleicht noch Sophiensäle und Theater unterm Dach. Doch was ist mit Vierter Welt, Dock 11, Tanzfabrik und den unzähligen anderen Off-Bühnen, die in Berlin wie Pilze aus dem Boden schießen? Selbst für sehr Kulturinteressierte ist es unmöglich, bei rund 500 Tanz- und Theatergruppen und mehr als 50 Spielstätten den Überblick zu behalten. Hier will Theaterscoutings Berlin eingreifen: Mit Expeditionen zu Spielstätten, Stückeinführungen, Gesprächen zwischen Publikum und Künstlern sowie öffentlichen Proben will man einen Weg durch den Dschungel der Off-Szene bahnen und zugleich Verständnis wecken für künstlerische Prozesse.

Gegründet wurde Theaterscoutings Berlin im Frühling 2014 als Modul des Performing Arts Programm (PAP), das wiederum unter der Ägide des Landesverbands freie darstellende Künste Berlin e.V. (LAFT) steht, finanziert wird es mit EU-Geldern. Theaterwissenschaftlerin Janina Benduski, die das PAP zusammen mit Stefan Sahlmann leitet und die Idee für Theaterscouting hatte, nennt als Hauptziele einerseits die Vernetzung und bessere Vermarktung der freien Szene, andererseits den Abbau von Schwellenangst beim Publikum. Über die Arbeit im LAFT haben sie und Sahlmann gemerkt, dass so etwas fehlt; zwar gibt es jede Menge theaterpädagogische Projekte, doch nur von den größeren Häusern. »Die kleinen Bühnen haben dafür weder das Personal noch die Mittel«, bedauert Benduski. So ist die Idee zu Theaterscoutings »direkt aus der Szene entstanden.«

Und wird dort auch umgesetzt: Die ca 80 Scouts - alles Insider der Tanz- und Theaterszene, also Produzenten, Regisseure, Dramaturgen, Wissenschaftler, Kritiker - bieten Einführungen in Stücke an, moderieren Gespräche zwischen Publikum und Künstlern und organisieren öffentliche Proben mit anschließendem Gedankenaustausch backstage. Neu sind Tischgesellschaften, bei denen Zuschauer, Künstler und Fachleute nach der Inszenierung im Foyer des jeweiligen Theaters an langen Tafeln zusammenkommen. »Für das Publikum ist der Prozess der Entstehung eines Stücks mindestens genauso interessant wie das Stück selbst«, hat Leiterin Nathalie Frank erkannt.

Wichtig ist ihr, dass die Diskussionen auf Augenhöhe ablaufen. Wie nach dem Stück »Nach der Arbeit« im Theater unterm Dach, das den Nutzen von Arbeit für die Menschen thematisierte. »Irgendwann haben die Leute von ihren eigenen Arbeitserfahrungen erzählt, das war total spannend«, erzählt die gebürtige Französin, die jahrelang als Kulturmanagerin in Prag Theatererfahrung sammelte, bevor sie 2011 nach Berlin zog. »Gerade die freie Szene verarbeitet ja vor allem aktuelle Themen wie Migration, Nachhaltigkeit, Ökologie, die alle angehen«, so Frank. Und auch das Projekt Theaterscouting begreift sich als experimentell: »Wir gucken, was geht und was geht nicht«, beschreibt Nathalie Frank ihre Arbeit. Sie und ihre Mitstreiter wollen »Theater zur Begegnungsstätte machen« - da dürfen dann auch mal die Künstler den Zuschauern Fragen stellen statt umgekehrt.

Ihr Publikum finden die Theaterscouts über Mundpropaganda, Newsletter, über die Theater, aber auch über Infostände bei Erstsemesterveranstaltungen oder Sommerfeste der Bühnen. So breit gefächert wie die Off-Szene selbst sind auch die Gäste der Theaterscouts - altersmäßig zwischen Mitte 20 und 50, zwei Drittel Frauen, ein Drittel Männer, vom Theaternovizen bis zum Kenner der Szene ist alles vertreten. »Die Resonanz ist wirklich gut«, freut sich Leiterin Frank.

Begehrt sind auch die monatlichen Touren zusammen mit StattReisen Berlin zu unterschiedlichen Spielstätten. Die nächste Tour findet am 24. Oktober statt; Regisseurin und Autorin Susanne Chrudina führt durch Theaterdiscounter, Theaterhaus Mitte und TAK, inklusive hautnaher Blicke hinter die Kulissen. »Der normale Zuschauer kommt ja meist gar nicht an die Schauspieler und Regisseure ran, geschweige denn in Garderobe oder Kantine«, gibt Janina Benduski zu bedenken. Eben das wollen die Theaterscouts ändern - und so eine Brücke schlagen zwischen Publikum und Künstlern.

www.theaterscoutings-berlin.de

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -