Starkes Echo auf »Bharat Bandh«
150 Millionen Inder legten am Mittwoch landesweit die Arbeit nieder / Misstrauensbeweise für Premier Modi
Mehr als 150 Millionen Arbeiter und Angestellte folgten am Mittwoch in Indien dem Aufruf von zehn großen Gewerkschaftsverbänden zu einem landesweiten Streik gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung von Premier Narendra Modi. Der Protest richtete sich vor allem gegen deren Absicht, die Arbeitsgesetze im Sinne des Kapitals zu modifizieren.
In vielen Gegenden des riesigen Subkontinents ging wegen des auf 24 Stunden angesetzten Ausstands nichts mehr. Nur die der regierenden Indischen Volkspartei angehörenden Gewerkschaften machten nicht mit. Ansonsten fand der »Bharat Bandh«, was sich als Generalstreik übersetzen lässt, ein starkes Echo im Transportwesen, im Sektor der Banken und Versicherungen, der verarbeitenden Industrien, dem Baugewerbe und im Bergbau. Auch Beschäftigte im sogenannten informellen Sektor, also Tagelöhner, Hausangestellte, Hilfskräfte und Straßenverkäufer, waren aufgerufen, die Arbeit niederzulegen und höhere Mindestlöhne und bessere Arbeitsbedingungen zu fordern.
Die Beratungen der Gewerkschaften im August mit Finanzminister Arun Jailey über einen Katalog von zwölf Forderungen hatten nichts gebracht. Deshalb entschlossen sich die Gewerkschaften jetzt, mit dem Streik Druck zu machen und die Regierung aufzuschrecken. Diese steuert seit ihrer Amtsübernahme im Mai vorigen Jahres einen deutlichen markwirtschaftlichen Kurs, der die ohnehin prekäre soziale Ungleichheit weiter verschärft. Pramod Tiwari von der oppositionellen Kongresspartei äußerte, die Basis der Modi-Regierung sei geschrumpft. Niemand vertraue noch dem Premier. Tiwaris Partei begründete die eindrucksvolle Protestaktion damit, dass diese Regierung alle Gesetze, die Arbeiterinteressen schützen, »reformieren« wolle, was nichts anderes heiße, als sie »zugunsten der Industrie« zu beseitigen. Ein Landerwerbsgesetz, das in die gleiche Richtung zielte, scheiterte kürzlich am energischen Widerstand der Opposition im Parlament und musste auf die Länderebene verlagert werden - eine empfindliche Niederlage für Modi.
Im Zwölf-Punkte-Katalog verlangen die Gewerkschaften, die Grundrechte der Arbeiter zu sichern, die Privatisierung staatlicher Betriebe zu stoppen und Auslandsinvestitionen in die Eisenbahn, das größte staatliche Unternehmen, sowie in die Rüstungsindustrie zu verbieten. Gefordert werden eine Sozialversicherung für alle Arbeiter, eine Erhöhung der Renten und Maßnahmen gegen Preisauftrieb und Arbeitslosigkeit.
Bislang wurde das alles abgelehnt. Doch überraschend appellierte der Staatsminister für Arbeit und Beschäftigung, Bandaru Dattatreya, am Mittwoch an die Gewerkschaften, ihren Ausstand abzubrechen, da die »meisten ihrer Forderungen annehmbar« seien.
Offensichtlich überraschte das Ausmaß des Bharat Bandh die Regierung. In allen großen Städten war das öffentliche Leben betroffen. In Delhi kam der Straßenverkehr zum Erliegen, selbst Taxis und Motorrikschas fuhren nicht. In Mumbai stellte der Hafen seine Arbeit ein. In Bihar wurden Straßen blockiert, Fernverkehrszüge verließen die Bahnhöfe nicht. In Kolkata blieben Geschäfte, Märkte und Büros geschlossen. Der Nahverkehr fiel aus. Hier wie auch in Bihar kam es zu Zusammenstößen zwischen Streikenden und der Polizei. Auch in Assam, Uttar Pradesh, Punjab und weiteren Staaten wirkte sich der Streik spürbar aus.
Wirkliche Dimensionen eines Generalstreiks erlebten die Bürger im südlichen Bundesstaat Kerala: kein Verkehr, egal ob im staatlichen oder privaten Sektor, kein Geschäftsleben, Banken und Bildungseinrichtungen geschlossen. Selbst die kleinen Teestuben machten dicht. Ebenso das Bild im von einer Linksfront geführten Tripura, wo die Zentrale Indische Gewerkschaft der KP Indiens (Marxistisch) die Fäden zog. Banken, Schulen, Colleges blieben geschlossen. Und der gesamte Verkehr ruhte.
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