Ein Punkt beim Weltmeister ist drin
Die Polen trauen ihren Fußballern in der EM-Qualifikation gegen Deutschland eine weitere Überraschung zu
Polens Fußballer kommen an diesem Freitag als Führende der EM-Qualifikationsgruppe D nach Frankfurt am Main. Dabei hatte man sich im Nachbarland so gar nicht optimistisch gezeigt, als vor fast genau einem Jahr das Rennen um zwei Plätze bei der Europameisterschaft in Frankreich begann. Die Gegner Irland, Schottland, Georgien und vor allem Weltmeister Deutschland erschienen Fans und Experten als eine Nummer zu groß. »Wahrscheinlich ist Gibraltar das einzige Team, gegen das wir Punkte holen werden«, lästerte schon vorab das beliebte Fußballportal »Weszło«.
Tatsächlich gab die polnische Nationalmannschaft ihren Fans in den vergangenen Jahren nicht viel Grund zum Optimismus. In den 1990ern konnten sich die »Biało-Czerwoni«, wie die Nationalmannschaft wegen der weiß-roten Nationalfarben genannt wird, für kein großes Turnier qualifizieren. Im Jahrzehnt darauf folgten auf erfolgreiche Qualifikationen enttäuschende Turnierauftritte. Und die EM 2012, die Polen gemeinsam mit der Ukraine ausrichtete, wurde gar zum nationalen Trauma. Auch mit hervorragenden Spielern wie Robert Lewandowski, Łukasz Piszczek, und Jakub Błaszczykowski, die im selben Jahr mit Borussia Dortmund das Double gewonnen hatten, oder dem damaligen Torhüter des FC Arsenal, Wojciech Szczęsny, endete das Turnier für die Gastgeber schon in der Vorrunde - trotz der eher leichten Gruppengegner Russland, Tschechien und Griechenland.
Die Bilanz gegen Polen
Das Team des Deutschen Fußball-Bunds trifft zum 20. Mal auf Polen. Das 0:2 im Hinspiel war für die Bundesrepublik die erste Niederlage. Ihr stehen zwölf Siege und sechs Unentschieden gegenüber. Die Fußballer der DDR siegten sechsmal, verloren neun Partien und spielten viermal Remis gegen ihre Nachbarn.
Die deutsche Gruppe
Die Gruppe D führt Polen mit 14 Punkten an. Ein Zähler dahinter folgt die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw. Auch Schottland (11) und Irland (9) haben noch Chancen auf die direkten Qualifikationsplätze. Rang drei reicht noch für die Relegation.
Die deutsche Mannschaft
Der Dortmunder Marco Reus fällt erneut aus. Dieses Mal stoppt den Stürmer ein gebrochener Zeh. Mesut Özil scheint hingegen doch noch rechtzeitig fit zu werden. Er hatte in den vergangenen Tagen zunächst mit einer Patellasehnenreizung für Aufsehen gesorgt und später mit seinem Wunsch, nach der EM auch noch bei Olympia in Rio spielen zu wollen. Löw hält das jedoch nicht für umsetzbar.
Die ersten Anwärter
Sieben Nationalteams hoffen, bereits am Doppelspieltag an diesem Wochenende einen von noch 23 freien Startplätzen – Gastgeber Frankreich ist sicher dabei – zu ergattern. Beste Chancen auf die frühzeitige Qualifikation haben die Engländer. Sie konnten bislang alle sechs Partien gewinnen. Bei einem weiteren Sieg am Samstag in San Marino ist die EM erreicht. Auch Österreich könnte mit einem Sieg und etwas Schützenhilfe weiterkommen, ebenso wie Schweden, Italien, Kroatien sowie die überraschenden Tabellenführer Island und die Slowakei. ok
Welche tiefen Spuren die misslungene EM hinterlassen hatte, zeigte danach die Qualifikation für die WM in Brasilien. Obwohl Waldemar Fornalik, der nach der EURO 2012 Franciszek Smuda als Nationaltrainer abgelöst hatte, vielen neuen Spielern eine Chance gab und damit zuerst auch Achtungserfolge erzielte, endete die Qualifikation hinter England, der Ukraine und Montenegro auf einem enttäuschenden vierten Platz.
So glaubte auch kaum ein Pole, dass sich mit der Ernennung von Adam Nawałka im Oktober 2013 zum Nationaltrainer etwas zum Positiven ändern würde. Der 57-Jährige war zwar bis Mitte der 1980er Jahre einer der besten Fußballer des Landes und gehörte bei der WM 1978 auch dem Kader der Nationalmannschaft an. Doch als Trainer konnte er bis zu seinem Amtsantritt keine Titel vorweisen. Einige gute Platzierungen mit durchschnittlichen Teams standen in Nawałkas Vita, mehr nicht. Ein Umstand, den ihm viele Kritiker zum Vorwurf machten und stattdessen einen ausländischen Trainer forderten.
Verbandspräsident Zbigniew Boniek, der mit Nawałka einst in der Nationalelf zusammenspielte, hielt aber an seiner Entscheidung fest. »Nawałka wird einzig und allein an den Leistungen in der EM-Qualifikation gemessen«, erklärte Boniek wiederholt. Dass diese aufgrund der wenigen Stars im Team ein schwieriges Unterfangen sein würde, musste der neue Nationaltrainer bei seinen ersten Auftritten schnell lernen. Mehr als 70 Spieler testete Nawałka. Empfehlen konnten sich nur die wenigsten.
So konzentrierte er sich auf die ihm vertrauten Spieler und passte das Spielsystem den Möglichkeiten des Kaders an. Während seine Vorgänger auf ein 4-5-1-System vertrauten, stellte Nawałka wegen fehlender offensiver Mittelfeldspieler auf 4-4-2 um. Der ehemalige Leverkusener Arkadiusz Milik ist nun neben Robert Lewandowski zweiter Stürmer. Vor allem aber verstand es Nawałka, seiner Mannschaft einen neuen Teamgeist einzuimpfen. Sowohl beim Qualifikationsspiel gegen Schottland als auch gegen Georgien, zeigten sich zwar erneut spielerische Schwächen. Doch im Gegensatz zu den vergangenen Jahren machte die Mannschaft diese Mängel durch Laufbereitschaft wieder gut. So kompensiert sie mittlerweile auch die häufigen Ausfälle von Jakub Błaszczykowski, der bis vor einigen Jahren noch als unersetzlich galt.
Eine Entwicklung, die sich nun auch bei der Erwartung der Polen an das Spiel in Frankfurt am Main bemerkbar macht. Es herrscht zwar weiterhin die typisch polnische Skepsis, doch zumindest einen Punktgewinn hält man für möglich. Man wisse um die Schwächen des Weltmeisters und seit dem 2:0 im vergangenen Herbst in Warschau auch, dass man die Deutschen besiegen kann.
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