Tief gespalten in den Wahlmodus
Vier Wochen vor der portugiesischen Parlamentswahl ist die zersplitterte Linke chancenlos
Portugal steht am Scheideweg. So sieht es zumindest der Vorsitzende der Kommunistischen Partei (PCP), Jerónimo de Sousa. Schon vor einer Woche schwor er Mitglieder und Sympathisanten ein - auf die »Festa do Avante« und die anstehende Parlamentswahl: »Es geht am 4. Oktober um die Wahl zwischen zwei Wegen: Entweder wird die ruinöse Politik der Regierung und der größten Oppositionspartei, der Sozialistischen Partei (PS) fortgesetzt, oder es eröffnet sich ein neuer Weg für eine alternative, patriotische und linke Politik«, so de Sousa vor Hunderten freiwilligen Helfern, die das an diesem Wochenende stattfindende Pressefest der Parteizeitung »Avante« vorbereiteten. Die Coligação Democrática Unitária (Demokratische Einheitskoalition), die traditionelle Listenverbindung zwischen Kommunistischer und Grüner Partei, lädt zur 39. Auflage des Festivals ein. Wieder werden mehrere zehntausend Menschen vor die Tore Lissabons strömen, um den vielen Konzerten und politischen Debatten zu folgen. Eigentlich steht das dreitägige Fest im Zeichen des 70. Jahrestages der Befreiung vom Hitler-Faschismus, doch dominiert auch hier die Wahl in einem Monat. Letzte Umfragen sagen der PCP knapp zehn Prozent der Stimmen voraus. Damit stehen die Kommunisten im Vergleich zu anderen Linksparteien in Portugal recht gut da.
Schwieriger ist die Lage für die zweite im Parlament vertretende Linkspartei, den Bloco de Esquerda (Linksblock). Dieser musste in den vergangenen Jahren mehrere schmerzhafte Niederlagen hinnehmen. Nach dem fulminanten Wahlerfolg mit knapp zehn Prozent der Stimmen 2009 schrumpften die Werte - ausgerechnet zur Hochzeit der Krise im Land - bei der vorgezogenen Wahl im Jahr 2011 um die Hälfte. Keine der Anti-Austeritäts-Parteien konnte damals punkten. Seither wird das Land von einer Koalition aus Sozialdemokratischer Partei Portugals (PSD) und Demokratisch-Sozialem Zentrum/Volkspartei, zwei konservativen Gruppierungen, unter Ministerpräsident Pedro Passos Coelho (PSD) geführt. 2014 rutschte der Linksblock weiter ab und erreichte bei der Europawahl magere 4,6 Prozent. Und die Talfahrt ging weiter: Anfang dieses Jahres bewegte sich die Partei in Umfragen nur noch zwischen zwei und drei Prozent.
Noch schwerer aber wogen zahlreiche Austritte prominenter Mitglieder. 1999 als eines der ersten pluralen, linken Sammlungsprojekte in Europa gestartet, zerfiel der Linksblock zuletzt immer mehr. Vor allem an der Frage der Kooperation mit den Sozialisten (PS) spaltete sich die undogmatische Linkspartei. Solle man mit der PS koalieren, um weitere harte Einschnitte durch die Troika zu verhindern? Die verbliebene Bloco-Führung beantwortet diese Frage mit einem klaren Nein. »Wir sind nicht Teil des Sumpfes. Wir sind gekommen, um das Zweiparteiensystem zu durchbrechen«, sagt Catarina Martins, Sprecherin des Linksblocks.
Inzwischen befindet sich Portugal nicht mehr unter dem europäischen Rettungsschirm, die Troika bestimmt aber weiter die Politik des Landes. So sollen die staatliche Fluggesellschaft und der Energiesektor privatisiert werden. Wohl auch deshalb erregte der Linksblock mit einer landesweiten Plakatkampagne Aufmerksamkeit, in der die portugiesische Regierung »deutscher als die deutsche« genannt wurde.
Vielleicht wären die Umfragen besser, wäre die Linke in Portugal nicht tief gespalten. 2013 gründete Rui Tavares, einst für den Bloco im Europaparlament, die linksökologische Partei Livre (Frei), die mit der Formation Tempo de Avançar (Zeit des Fortschritts) der ehemaligen Bloco-Abgeordneten Ana Drago ebenfalls am 4. Oktober antritt. Beide stehen einem Bündnis mit der PS, die die Umfragen mit 37 Prozent anführt, offen gegenüber. Ziel ist es, »eine Regierung Hollande« wie in Frankreich zu verhindern. Auch in Portugal blinken die Sozialisten in Wahlkämpfen traditionell links, wettern gegen Privatisierung und die deutsche Dominanz in der Eurozone. Nach der Wahl bleibt davon meist nur wenig übrig.
Als dritte Formation der Linken kandidiert der Ableger der spanischen Empörtenpartei Podemos unter dem Namen Juntos Podemos (Gemeinsam können wir). Auch diese Gruppierung wurde Ende vorigen Jahres von ehemaligen Bloco-Mitgliedern ins Leben gerufen, die sich jedoch inzwischen teilweise wieder aus ihr zurückgezogen haben. Die Ex-Bloco-Abgeordnete Joana Amaral Dias bildete im März bereits das nächste Bündnis namens Agir (Handeln), welches aber wohl den Einzug ins Parlament verpassen wird.
Alle Abspaltungen des Bloco konkurrieren um die Nähe zu griechischer SYRIZA und spanischer Podemos. Die Probleme der griechischen Linkspartei wirken, nach der Euphorie unter Linken Anfang des Jahres in ganz Europa zurzeit nicht gerade förderlich. Im Unterschied zum Nachbarland Spanien, wo auch Podemos zuletzt in schweres Fahrwasser geraten ist, gibt es in Portugal seit 2013 auch keine nennenswerten Massenproteste gegen Austerität. Und so bleibt es bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen regierenden Konservativen und Sozialisten, während die Linke im Land gespalten auftritt. Ein griechischer Frühling ist in Portugal nicht zu erwarten.
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