Herr Juncker, treten Sie zurück!
Uwe Sattler hofft auf ein Zeichen des EU-Kommissionspräsidenten
»Es reicht nicht, abends vor den Fernsehschirmen zu weinen, wenn Menschen im Mittelmeer ertrinken, und am nächsten Morgen im EU-Rat eine Gedenkminute abzuhalten.« Das Zitat ist schon ein paar Monate alt und stammt nicht von einem Linkspolitiker, sondern vom Präsidenten der Europäischen Kommission. In der kommenden Woche wird Jean-Claude Juncker abermals in seiner »State of the Union«-Rede nicht über die Umsetzung seiner Vision vom Wachstums-Europa sprechen. Sondern erneut um ein verbindliches Quotensystem zur Aufnahme von Flüchtlingen betteln.
Ein knappes Jahr nach seinem Amtsantritt wurde Juncker auf den Boden der Realität zurückgeholt. Dazu gehört die Erkenntnis, wer das Sagen in EU-Europa hat. In Zeiten von Griechenland-Krise und Flüchtlingsdrama haben die Regierungen selbst die wenigen demokratischen Institutionen und Mechanismen in der EU ausgehebelt und das Diktat der wirtschaftlich starken Staaten wieder durchgesetzt. Was der Kommissionspräsident auch sagt - entschieden wird in Berlin, Paris oder London. Natürlich kann die Kommission Sanktionen gegen Staaten verlangen, die eine gemeinsame Asylpolitik behindern. Entscheiden aber müssen darüber - die Regierungen.
Wenn es Juncker ernst ist mit Lösung der Flüchtlingsfrage und gemeinsamen Europa, muss er ein deutliches Zeichen setzen - notfalls mit seinem Rücktritt. Ob das die Staaten zur Abkehr von nationalen Egoismen bewegen würde, steht auf einem anderen Blatt.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.