Kollege Terrorist
René Heilig über den Datenschutz für Arbeitnehmer
Ende vergangenen Jahres hat die Daimler AG eine Konzernvereinbarung abgeschlossen, laut der die Stammdaten von 280 000 Beschäftigten einmal pro Quartal mit Terrordateien abgeglichen werden können. Ein Treffer führt zur sogenannten Freistellung, Gehalt wird nicht mehr ausgezahlt.
Wer ermöglicht den Daimler-Sicherheitsleuten den Einblick in solche Dateien? Die Bundesregierung hat angeblich keine Ahnung. Sie merkt nur an, dass privatwirtschaftlichen Unternehmen kein Zugriff auf die nationale und europäische Sicherheitsdatenbanken gestattet wird. Sie sieht grundsätzlich »keine Veranlassung, sich zum internen Verfahren der Daimler AG zu äußern«, das sei Sache der Betriebs- und Personalräte. Die bei Daimler haben eilfertig zugestimmt. In welchen Betrieben wird ebenso verfahren? Man ahnt, auch bei dieser Frage kann die Bundesregierung dem Linksfraktionsvize Jan Korte keine Antwort geben, die auf ein Engagement für Arbeitnehmerrechte hindeutet. Die Regierung meint sogar, dass es »keinen Handlungsbedarf« für den Fall gibt, dass Beschäftigte unbegründet als Terroristen behandelt werden.
»Seit fast 20 Jahren stellt der Innenausschuss des Bundestags in seinen Beschlussempfehlungen zum Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten fest, dass der Beschäftigtendatenschutz dringend gesetzlich geregelt werden müsse«, sagt Korte gegenüber »nd«. Er konstatiert: »Getan hat sich trotz zahlloser Datenschutzskandale nichts.«
Das alleine ist ein Skandal. Doch er lässt sich noch toppen. Es soll sich auch nichts tun. Jedenfalls nicht national. In Berlin verweist man mal wieder nach Brüssel. Und wahrhaftig, da entsteht gerade eine europäische Datenschutz-Grundverordnung. Sie soll Ende 2015 in einem beschließbaren Zustand sein und wird Regelungen zum betrieblichen Datenschutz beinhalten. Dem Vernehmen nach wird diese Verordnung jedoch dazu beitragen, die Grundprinzipien von Datensparsamkeit und die Zweckbindung der Verarbeitung von personenbezogenen Daten aufzuweichen. Bringt das die Bundesregierung auf den Plan? Man ahnt - nein.
Nun ist es sicher so, dass es sensible Bereiche vor allem im Bereich der kritischen Infrastrukturen gibt, in denen man genauer hinschauen muss, wer da für wen arbeitet. Flughäfen sind so ein Beispiel, und mit der geplanten Übernahme von über einem Dutzend lukrativer griechischer Airports will Fraport gerade mit seinen Erfahrungen im Sicherheitsmanagement Pionierarbeit leisten. Zugegeben sei auch, dass globale Risiken wachsen und durch Migration möglicherweise noch verschärft werden. Das aber ist keine Rechtfertigung für Terror-Generalverdacht in x-beliebigen Unternehmen. Zumal dann, wenn Verdachtskriterien und Durchleuchtungsmethoden so intransparent sind. Das werden hoffentlich bald Gewerkschaften und Betriebsräte dies und jenseits deutscher Grenzen begreifen und mit Nachdruck gesetzliche Regelungen im Interesse der Beschäftigten verlangen.
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