Die Reichen werden immer reicher
Zur neuen Champions-League-Saison steigen die Prämien nochmals um 25 Prozent
Fast alle Reiseführer Mailands empfehlen nach dem Besuch von Domplatz und Piazza della Scala eine Fahrt mit der U-Bahn zur Station »Lotto«. Im Stadtteil San Siro ist hier ein weiteres Wahrzeichen zu besichtigen: das Stadio Giuseppe Meazza, im Volksmund immer noch »San Siro« genannt. Es mag in die Jahre gekommen sein, aber seine kompakte Bauweise mit den pompösen Türmen und steilen Tribünen macht es zu einem Monument der Stadionarchitektur. Am 28. Mai 2016 dient es zum vierten Mal nach 1965, 1970 und 2001 als Endstation Sehnsucht, um die wichtigste Trophäe im europäischen Vereinsfußball zu vergeben. Hier steigt das Finale der neuen Champions-League-Saison, die an diesem Dienstag beginnt.
Dummerweise haben die Heimvereine AC Milan und Internazionale nicht einmal die Zulassung zum Ableger Europa League geschafft. Das liegt auch daran, dass die Klubs nicht mehr zu den reichsten in Europa gehören. »Es ist faktisch unmöglich für einen Klub, die Champions League zu gewinnen, der nicht zu den Top Ten der umsatzstärksten Klubs gehört«, konstatierte Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL), zu Jahresbeginn. So tauchte in der Siegerliste des vergangenen Jahrzehnts viermal der FC Barcelona (2015, 2011, 2009 und 2006) auf, dazu kamen je einmal Real Madrid (2014), der FC Bayern München (2013), FC Chelsea (2012), Inter Mailand (2010), Manchester United (2008) und AC Milan (2007). Die Mailänder triumphierten, als ihre Klubeigner noch die Spendierhosen anhatten. Dass sich der Sensationscoup eines eher Minderbemittelten wie dem FC Porto 2004 wiederholt, dürfte ausgeschlossen sein. Aktuell braucht es ungefähr eine halbe Milliarde Euro Jahresumsatz und rund 200 Millionen Euro Personalkosten, um den Henkelpott zu holen. Tendenz steigend.
In der Königsklasse mögen 32 Teams teilnehmen und neuerdings 1,257 Milliarden Euro verteilt werden, aber ab dem Viertelfinale ist der Geldadel bis auf ein, zwei Ausnahmen unter sich. Kein Wettbewerb wird so von der Wirtschaftskraft dominiert. Und die Reichen werden immer reicher: Trotz des Ausscheidens im Halbfinale schöpfte der FC Bayern immer noch 66 Millionen Euro in der vergangenen Spielzeit ab. Die Erlöse aus der Champions League steigen schneller als die Fernsehgelder für die Bundesliga.
Einer der schärfsten Kritiker dieser Entwicklung war Heribert Bruchhagen, Vorstandsvorsitzender von Eintracht Frankfurt: Demnach bedeuten die sprudelnden internationalen Einnahmen eine Gefahr für den nationalen Wettbewerb. Vor einem Jahr formulierte das langjährige Mitglied im DFL-Vorstand seine Ansicht drastisch: »Wir kommen nie wieder in die Champions League. Die Plätze oben sind besetzt: Bayern, Dortmund, Schalke und die Werksvereine. Die anderen können sich die Nase putzen und zwischen Platz acht und 18 spielen.« Mittlerweile hat sich Bruchhagen auf damit abgefunden, die Europa League anzustreben, die sei ja auch ein lohnendes Ziel.
Weltkonzerne und Fernsehanstalten stehen Schlange bei der von der UEFA beauftragten Vermarktungsagentur T.E.A.M mit Sitz in Luzern. Unter deren Ägide ist monetäres Glück garantiert. Die Spieltage sind durchchoreografiert, die Regularien streng, das Prozedere mühselig, die Sitzungen anstrengend, sagen Teilnehmer. Aber es lohnt sich.
Ende März beschlossen die Klubvereinigung ECA und die UEFA, die Prämien für den Zeitraum von 2015 bis 2018 um 32 Prozent zu steigern. Neuerdings bringt allein schon die Teilnahme an der Gruppenphase zwölf Millionen Euro, ein Sieg dort je 1,5 Millionen, das Erreichen des Achtelfinals 5,5 Millionen. Die üppigen Zuwendungen aus dem Marketingtopf gar nicht mitgerechnet.
Die Zuwendungen weist die UEFA im Übrigen sehr penibel aus, weniger transparent geht es in Sachen Financial Fairplay zu: Am vergangenen Freitag bestätigte die Finanzkontrollkammer, dass »nach eingehenden Untersuchungen eine Reihe von Sanktionen für Manchester City und Paris St. Germain aufgehoben sind.« Die Scheichklubs können also wieder klotzen statt kleckern. Ihre Transferausgaben - Manchester 210 Millionen Euro, Paris 118 Millionen - sind dem manischen Verlangen geschuldet, endlich einmal in der Königsklasse zu reüssieren. Nationale Erfolge gehen kaum mehr als Trostpflaster durch.
Die Champions League strahlt längst auch in kleinere Länder ab, weil deren Teilnehmer in ihren jeweiligen Meisterschaften die Machtverhältnisse zementieren. Olympiakos Piräus in Griechenland, Dinamo Zagreb in Kroatien, Schachtjor Donezk in der Ukraine, neuerdings auch BATE Borissow in Belarus können mit den europäischen Einnahmen in der Heimat unverrückbare Fakten schaffen. Damit ist nicht nur Gutes verbunden.
Eins der besten Beispiele ist Bayern Münchens erster Gegner der Saison am Mittwochabend: Griechenlands Abonnementmeister aus der Hafenstadt Piräus. Ungeachtet aller finanziellen Probleme des Landes hat der Präsident von Olympiakos, Evangelos Marinakis nicht nur 100 Millionen Euro für Spieler und Trainer ausgegeben. Der schwerreiche Reeder soll auch Funktionäre, Schiedsrichter und Verbandsangestellte beeinflusst haben, um sicherzustellen, dass sein Klub Erster bleibt. Denn nur dann sind die schönen Einnahmen aus der Champions League garantiert.
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