Auch die Klage ist geschwärzt
Opposition lässt Richter über Herausgabe der NSA-Selektoren entscheiden
Lange fragte man, bat und forderte die Herausgabe der sogenannten NSA-Selektorenliste. Die Regierung weigert sich beharrlich, einen entsprechenden Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses zu erfüllen. Nun haben die Vertreter der Opposition die Nase voll. Sie wollen sich nicht länger ihre verfassungsmäßigen Rechte entziehen lassen. Her mit den Selektoren, fordern LINKE und Grüne - und bitten Verfassungsrichter um Hilfe.
Ihre Ablehnung begründet die Regierung mit Geheimhaltungszwängen aus Staatswohlgründen und damit, dass die USA sich gegen die Herausgabe geheimer Dokumente ausgesprochen hätten. Was zumindest zweifelhaft ist.
Im März 2015 war durch Nachforschungen der Parlamentarier bekannt geworden, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) seit Jahren mehrere 10 000 von der NSA übermittelte Suchbegriffe - so genannte »Selektoren« - in seine Kommunikationserfassungssysteme eingestellt hat, von denen offenbar eine große Anzahl gegen in Deutschland geltende rechtliche Bestimmungen bei der Kommunikationsüberwachung verstießen. Dennoch wurden die Ergebnisse der Spionageoperation an US-Geheimdienste übermittelt. Die mittlerweile eingesetzte »Vertrauensperson«, die im Auftrag und unter Kontrolle des Kanzleramtes arbeitet, kann nach Ansicht der Kläger dem verpflichtenden Aufklärungs- und Untersuchungsauftrag des Parlaments nicht gerecht werden.
»Wir sind keine Prozesshanseln«, sagte der Ausschuss-Obmann der Grünen, Konstantin von Notz, am Donnerstag in Berlin. Doch es gebe offenbar keinen anderen Weg um festzustellen, ob es bei dem Verfassungsgrundsatz bleibt, dass das Parlament die Regierung kontrolliert. Oder ob die Regierung und die Geheimdienste das jetzt und in Zukunft selbst erledigen können. Man brauche eine rückhaltlose Herausgabe aller Akten auch, um Zeugenaussagen bewerten zu können. Schon jetzt sei klar, dass einige BND-Mitarbeiter nicht die Wahrheit gesagt haben können, ergänzte Notz' Linksfraktionskollegin Martina Renner. Auch darum denke man daran, »Zeugen unter Eid zu stellen, um sie an ihre Wahrheitspflicht zu erinnern«.
Die Ausschuss-Obleute stellten klar, dass man auch im Interesse der Unions- und SPD-Kollegen klage, die sich offenbar »komplett dem Regierungswillen unterworfen haben« und so ihrem Auftrag nicht gerecht werden können.
Die Organklage wird vertreten von Professor Wolfgang Ewer. Er musste seinen 159-seitigen Schriftsatz persönlich an den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes Andreas Voßkuhle übergeben, damit kein Unbefugter darin enthaltene Zitate aus geheimen Dokumenten lesen kann. Die sogenannte offene Fassung der Klage musste in großen Passagen geschwärzt werden und schaut daher aus wie zahlreiche Dokumente, die die Bundesregierung dem Untersuchungsausschuss zumutet. Ewer ließ durchblicken, dass er den Sinn mancher Geheimhaltung nicht nachvollziehen kann. Unter anderem geht es um ein Verwaltungsabkommen, das die USA und die Bundesrepublik bereits vor dem Bau der Berliner Mauer geschlossen haben.
So dringlich die Klärung für das Parlament auch ist - mit einer raschen Entscheidung des Gerichts ist vermutlich nicht zu rechnen. Die Zeit läuft für die Regierung.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.