Wo der beste Boden der Republik liegt
Ein Besuch in der Börde bei »L 1 Lö 100/104«
Eickendorf. Deutschlands allerbestes Stück Boden gibt es in der Börde - zwischen Magdeburg und Schönebeck. Es gehört zum elterlichen Hof von Willy Jäger. Der Beweis ist eine Art Code, der vor mehr als 80 Jahren von Bodenschätzern vergeben wurde und bis heute gilt. »L 1 Lö 100/104« ist das Klassenzeichen für den besten Ackerboden in Deutschland. Der Hof in Sachsen-Anhalt ist heute Museumsstandort.
»Bördeboden muss Lö sein«, sagt Jäger und nickt, um die Bedeutung das Gesagten hervorzuheben. Er steht vor einem mannshohen Bodenprofil, dessen Färbung sich vom dunklen, nährstoffreichen Humus zum hellen, sandigen Lehm wandelt. In der Hand hält er ein postkartengroßes Stück Papier. Es ist etwas vergilbt und voller Tabellen, Abkürzungen, Zahlen. »Das ist ein Ackerschätzungsrahmen, mit dem Bodenart, geologische Herkunft und Zustandsstufe bestimmt werden können.«
Die winzige Wertskala weist neun Bodenarten und sieben mögliche Zustände aus. »Lö« steht für Löß. »Das sind unsere wertvollsten Böden, die in der letzten Eiszeit durch Windanwehungen entstanden sind.« So ein Boden, sagt Jäger, muss gewachsen sein. Jäger hat lange als ehrenamtlicher Bodenschätzer gearbeitet - seine Schwäche dafür wurde dem Diplom-Landwirt in die Wiege gelegt. 1931 erblickte er auf jenem Hof das Licht der Welt, dessen Boden Experten vier Jahre später den höchsten Bodenwert 100 zusprachen.
»Das bundesweit gültige Referenzmusterstück für die höchste Bewertungszahl eines landwirtschaftlich genutzten Bodens verleiht dem Museumsstandort eine besondere Anziehungskraft«, sagt Wolfgang Brandtner. Er ist Vize-Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bodenschätzung und Bodenbewertung der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft (DBG) in Göttingen.
Grundlage ist das über 80 Jahre alte Bodenschätzungsgesetz. »Neun Jahre hat man daran gefeilt«, sagt Jäger. Alles habe man damals aus seiner heutigen Sicht »gut durchdacht«. So gut, dass das Gesetz 2007 novelliert wurde und bis heute Bestand hat. Die DBG spricht von einem »Jahrhundertwerk«. Es dient der Abschätzung der Ertragsfähigkeit landwirtschaftlich nutzbarer Standorte als Basis für die Besteuerung.
Insgesamt sind laut DBG bis Ende der 1960er Jahre 17 Millionen Hektar Ackerfläche kartiert, rund 20 Millionen sogenannte Grablochbeschriebe verfasst und etwa 4500 rechtsverbindliche Musterstücke dokumentiert worden. Drei davon entfallen auf den Eickendorfer Hof: M82, M83 und M84. Fortan musste sich nun jedes Stück Ackerboden an ihnen messen lassen. Neben den Bodenverhältnissen mit Schwarzerde aus Löß zeichneten den damaligen Referenzbetrieb auch die bäuerliche Betriebsgröße mit 23 Hektar, die Lage und die gute Infrastruktur aus. Seit 1953 betreibt die Familie keine Landwirtschaft mehr.
Aber wie bewertet man Ackerboden? »Man legt erst einmal ein imaginäres Raster aus 50 mal 50 Meter großen Quadraten über die Flächen«, sagt Jäger. »Dann geht es zu Fuß über den Acker. Immer hoch und runter.« In der Regel sind das ein Hauptschätzer vom Finanzamt, zwei Ehrenamtler, drei Grabearbeiter und ein Vermessungstechniker vom Katasteramt - sieben an der Zahl. Mit dabei haben sie Bohrstock und Bohrhammer, mit dem der hohle Stock etwa einen Meter tief in den Boden getrieben und mit der Bodenprobe wieder herausgedreht wird. Anhand des Pofils werden Bodenart, Zustandsstufe, geologische Herkunft, Boden- und Ackerzahl zugewiesen. Parameter, die dann zum Code werden. dpa/nd
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