Beweise gegen Blatter

Neue Dokumente belegen die Korruption bei der FIFA - auch die WM 2022 in Katar ist dabei

Das hätte man kaum noch für möglich gehalten: Weil ein Verlierer im Milliardenspiel Fußball auspackt, muss sich nun auch der FIFA-Präsident ernsthaft fürchten - und der Weltverband schickt Jubelbilder aus Moskau.

Man kann sich vorstellen, wonach in den Redaktionen fieberhaft das brisante Material zuerst durchforstet worden ist. Und siehe da, der Suchlauf war erfolgreich: Joseph Blatter. Auch der Name des FIFA-Präsidenten taucht in der neuen, am Donnerstagabend bekannt gewordenen Korruptionsaffäre des Fußballweltverbandes in belastenden Zusammenhängen auf.


Aber der Reihe nach. Die Agentur JB Sports Marketing hatte am Donnerstag ausgewählte Medien nach Zürich geladen. Schon bei der Präsentation dürften die Journalisten aus den USA (»Wall Street Journal«), Brasilien (»O Estado de São Paulo«), England (»Guardian«, »Daily Mail«), Deutschland (»Süddeutsche Zeitung«, »Welt«, »Kicker«, ARD) und der Schweiz (»Tagesanzeiger«, SRF) geahnt haben, welch große Bedeutung dieser Termin, dieser 17. September 2015, einmal erlangen könnte.

»Wir müssen jetzt damit rauskommen«, sagte Benny Alon laut »Tagesanzeiger«. Alon, ein ehemaliger israelischer Fußballer, der in den USA lebt und Heinz Schild, ein Schweizer Anwalt, führen die JB Sports Marketing, die selbst in der Vermarktung sportlicher Großereignisse mitmischt. Und sie legten mehrere Beweise vor, darunter unter Eid abgegebene Erklärungen, die Joseph Blatter in eine direkte Verbindung mit Korruption in Millionenhöhe bringen. Sie präsentierten gar den Koffer, in dem Geld für den FIFA-Präsidenten gepackt werden sollte. Und sie hatten einen Zeugen dabei, der bestätigte, dass FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke schon Monate vor der Wahl der WM-Gastgeber 2018 und 2022 im Dezember 2010 gegenüber Geschäftspartnern angab, dass Katar die Ausrichtung 2022 schon zugesagt wurde.

Blatters Name taucht bei der Vergabe von Aufträgen für die Vermarktung von WM-Tickets - ein Milliardengeschäft - auf. Als Schlüsselfigur in dieser Affäre wird der japanische Geschäftsmann Haruyuki Takahashi genannt, der 2003 zusammen mit Alon die ebenfalls auf diesem Feld aktive Agentur ISE gegründet hatte. »Er (Takahashi, Anm. der Red.) verlangte von mir auch, dass ich zwei Millionen Euro auf die Seite lege, die er brauche, um eine persönliche Gratifikation für Joseph Blatter zu zahlen, den FIFA-Präsidenten, als Gegenleistung, weil die FIFA die ISE AG als erfolgreichen Bewerber für die WM 2006 akzeptiert hatte.« Diese Aussage machte Alon bereits im Oktober 2005 in Frankfurt am Main und berichtete von einem Vorfall in Paris im Jahr 2003. Auch ein weiterer Vorstoß von Takahashi im März 2005, die zwei Millionen Euro für Blatter zu bekommen, ist dokumentiert.

Alon sagte am Donnerstag, dass er und weitere Personen diese Schmiergeldzahlung abgelehnt hätten. Und er sagte auch, dass er erfahren habe, dass dieses Geld geflossen sei - im Zusammenhang mit einem Vertrag zwischen der ISE und der FIFA für die Klub-WM in Asien.

Was machte eigentlich der Weltverband am Freitag? Er verschickte Jubelbilder vom Roten Platz in Moskau, wo feierlich die noch »1000 Tage bis zur WM« eingeläutet wurden. Einer fehlte in Russland: Jérôme Valcke. Der FIFA-Generalsekretär wurde noch am Donnerstagabend von seinen Aufgaben freigestellt. Weil er sich bei der Vergabe des Ticketingsvertrags für die Weltmeisterschaften 2010 bis 2022 persönlich bereichert haben soll. Auch dies hatte JSB Sports Marketing öffentlich gemacht. Die Agentur selbst hatte ja den Zuschlag für die vier Turniere erhalten und dafür 270 Millionen Schweizer Franken bezahlt. Valcke hatte sich im Gegenzug eine »diskrete Gewinnbeteiligung« zusichern lassen.

Jérôme Valcke ist wieder einmal, nach 2006, bereitwilliges Bauernopfer. Denn warum muss der Generalsekretär die FIFA verlassen, wenn doch gegen den Präsidenten ähnliche Vorwürfe im Raum stehen: Korruption in Millionenhöhe. Es ist daher zu vermuten, dass es dem Weltverband weniger um die Ticketingverträge, sondern wohl mehr um die WM in Katar geht, deren Neuvergabe samt Rechtsstreit den Verband ruinieren könnte. Interessant hierbei: Der Vertrag zwischen JSB und FIFA über die Vermarktung des Ticketing für die WM 2022 wäre nur gültig geworden, wenn das Turnier in den USA stattgefunden hätte. Aber erst nach der Unterschrift soll Valcke - zweimal - gesagt haben, dass diese WM schon Katar zugesagt sei, so Alon. Marco Vitali, ein Schweizer Bankkaufmann, konnte dies am Donnerstag bestätigen.

Auch wenn Alon und die JSB erst jetzt damit kommen und auch nur, weil sie in dem Milliardenspiel verloren haben - wichtig ist es allemal. Und man darf gespannt auf die Auswertung der USB-Sticks sein, die die Journalisten mit in ihre Redaktionen genommen haben.

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