Der lange Schatten der IRA
Krisengespräche in der nordirischen Hauptstadt Belfast
Die Zeichen stehen wieder auf Krise in Stormont, dem Sitz der nordirischen Regionalregierung in Belfast. Dort sollen in den kommenden Wochen die am Montag begonnenen Gespräche zwischen den probritischen und den proirischen Parteien sicherstellen, dass das 1998 nach dem Karfreitagsabkommen entstandene politische System, das beiden Seiten Regierungsbeteiligung zugesteht, in Kraft bleibt. Das Gleichgewicht war massiv gestört worden, als Regionalregierungschef Peter Robinson von der protestantischen Democratic Unionist Party vor zwei Wochen zurücktrat, weil die Irisch Republikanische Armee (IRA) weiterhin im Untergrund bewaffnet agieren soll. Auslöser für die neuerliche Krise war im Mai die Ermordung des einstigen IRA-Kämpfers Gerard »Jock« Davison. Der ehemals wichtige Kommandant unterstützte die Parteilinie Sinn Feíns als politischer Arm der IRA nach Unterzeichnung des Friedensabkommens, das den 30-jährigen Bürgerkrieg beendete. Er war das höchstrangige IRA-Mitglied in Belfast, das seit 1998 getötet worden ist. Im August dann wurde ein weiterer Ex-IRA-Mann ermordet, ein führendes Mitglied der Abspaltung Provisional IRA (PIRA), der seit langem in einen Disput mit Davison verwickelt gewesen sein soll.
Die Nachwehen der ungeklärten Morde und die Diskussion um eine wiederbewaffnete IRA zwangen auch London zum Eingreifen. Doch die britische Regierung setzt nicht auf Parlamentsauflösung, sondern auf Verhandlungen. Die zuständige Ministerin Theresa Villiers warnte deshalb die Politiker, die seit Montag an den Krisengesprächen in Belfast teilnehmen, die Chance zur Klärung des Konflikts nicht verstreichen zu lassen. »Die politischen Anführer Nordirlands haben große Dinge in den vergangenen 20 Jahren geschaffen, indem sie zusammengearbeitet haben. Derselbe Geist muss nun auch in diese Gespräche eingebracht werden.«
Bis Mitte Oktober soll außerdem ein Bericht fertiggestellt werden, der die Rolle paramilitärischer Operationen in Nordirland unter die Lupe nimmt. In Auftrag gegeben wurde er von der britischen Regierung. Der Report soll helfen, die Gespräche in Belfast zu einem Ende zu führen. »Die jüngsten Ereignisse haben die anhalten Auswirkungen und das Vermächtnis der paramilitärischen Organisationen in Nordirland noch einmal hervorgehoben. Dieses Problem muss dringend in Angriff genommen werden«, erklärte Villiers die Position Londons.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.