Hausgeburten nicht erwünscht
Nach Hebammenschiedsspruch haben Mütter noch weniger Wahlmöglichkeiten
Beim Deutschen Hebammenverband in Berlin klingelte am Montag pausenlos das Telefon. Viele Frauen riefen an, um den Hebammen ihre Unterstützung zu versichern. Vor wenigen Tagen hatte die Schiedsstelle von Kassen und Hebammenverbänden über das künftige Prozedere von Abrechnung und Zuschlägen zum Ausgleich der hohen Berufshaftpflichtprämien geurteilt. Nach dem Schiedsspruch vom letzten Freitag, der in Kürze rechtswirksam wird, soll es nun für die freiberuflichen Hebammen in der Geburtshilfe keinen Ausgleich, sondern nur noch einen sogenannten Sicherstellungszuschlag geben. Zuschlagsberechtigt sind nur jene Geburtshelferinnen, die mindestens vier Entbindungen im Jahr betreut haben. Der Deutsche Hebammenverband befürchtet nun, dass dieser und weitere Beschlüsse das Ende der Hausgeburtshilfe besiegeln.
Schon seit Januar warten die Hebammen auf einen Zuschlag, über den 2013 verhandelt wurde. Daraufhin hatte sich die Berufsgruppe auf eine Anhebung der Qualitätsstandards eingelassen - und auch geliefert. Jetzt stellte der Spitzenverband weitere, aus Sicht der Hebammen unzumutbare Forderungen, für die zudem der wissenschaftliche Nutzennachweis fehlt. So gibt es nun einen Ausschluss aus der Erstattungspflicht von Hausgeburten, wenn der errechnete Geburtstermin - maximaler Spielraum nach Schiedsspruch plus minus drei Tage - nicht eingehalten wird. Das kommt aber häufig vor und deutet noch lange nicht auf Komplikationen bei der Geburt hin. Trotzdem müssten die Schwangeren in solch einem Fall noch einmal extra zur Gynäkologin - wenig realistisch an Wochenenden oder in ländlichen Bereichen. Hinzu kommt, dass ein Zwang zum Arztbesuch ausgeübt werde, wie Nina Martin vom Hebammenverband erklärt, der in anderen Gesundheitsbereichen unbekannt sei. Zudem würden die Fachärzte wahrscheinlich zu ihrer eigenen Absicherung von der Hausgeburt abraten. Die Hebamme, die sich dann dennoch auf eine Geburt außerhalb des Krankenhauses einließe, handelte mit hohem Risiko: Sie würde aus dem Rahmenvertrag mit den Krankenkassen ausgeschlossen und könnte ihre Leistungen nicht mehr abrechnen.
Im Juli hatte sich auch die Nürnberger Versicherung aus dem Geschäft der Berufshaftpflicht für die Berufsgruppe zurückgezogen, nachdem schon in den Jahren zuvor alle übrigen Unternehmen aus dem aus ihrer Sicht unprofitablen Geschäft ausgestiegen waren. Seitdem gibt es nur noch eine einzige Möglichkeit für freiberufliche Hebammen, Haftpflichtversicherungen abzuschließen. Dafür haben sich mehrere Versicherer zusammengeschlossen, darunter die Versicherungskammer Bayern und R+V. Der Vertrag kostet jährlich 6274 Euro. Seit 2010 mögliche Vergütungszuschläge der gesetzlichen Krankenkassen werden allerdings erst bei einer bestimmten Mindestzahl von Geburten gezahlt. Die Versicherer begründen die steigenden Prämien mit höheren Kosten pro Schadensfall. Bei einem schweren Geburtsfehler können sie um die 2,6 Millionen Euro betragen. Die Summe setzt sich aus Behandlungs- und Pflegekosten sowie dem hochgerechneten Verdienstausfall des von Geburt an behinderten Menschen zusammen.
Um die Geburtshilfe von diesem kommerziellen Konflikt und seinen Auswirkungen zu entlasten, schlägt unter anderem die Linksfraktion einen gemeinsamen Haftungsfonds für den gesamten Gesundheitsbereich vor. Die Hebammen haben schon zuvor ihre Lobby aktiviert. Jetzt wollen sie die Folgen des Schiedsspruchs juristisch prüfen lassen. Die Verweigerungshaltung der Krankenkassen und des Bundesgesundheitsministers könnte dazu führen, dass werdende Mütter in Zukunft ihre Kinder nur noch in Krankenhäusern zur Welt bringen dürfen. Die Krankenkassen argumentieren damit, dass das in 98 Prozent der Fälle sowieso schon geschieht.
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