Unternehmenskultur gescheitert

VW-Markenchef muss sich vor EU-Kommission erklären / Gewerkschaften üben in Affäre auch Selbstkritik

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Weg zum Ende der Krise bei VW wird lang und steinig sein. Welche rechtlichen und politischen Folgen die Softwaremanipulationen haben werden, ist noch unklar.

In der Affäre um manipulierte Abgaswerte bei VW hat die EU-Kommission vor dem ersten Treffen mit einem Topmanager des Konzerns umfassende Aufklärung gefordert. Brüssel wolle »den Dingen auf den Grund gehen« und erwarte, dass VW-Markenvorstand Herbert Diess die Lage erläutere, sagte ein Kommissionssprecher am Dienstag. »Unsere Botschaft wird klar sein: Wir erwarten, dass Volkswagen vollständig mit den nationalen Behörden kooperiert und EU-Regeln einhält.« Diess wollte EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska am frühen Dienstagabend (nach Redaktionsschluss) treffen.

Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass in weltweit rund elf Millionen Dieselfahrzeugen aus dem VW-Konzern manipulierte Software eingebaut ist. Bei Abgastests stießen sie deutlich weniger Stickoxide aus als im regulären Betrieb. Solche »defeat devices« (»Abschalteinrichtungen«) genannten Vorrichtungen sind seit 2007 in der EU ausdrücklich verboten. Am Donnerstag wollen sich die EU-Wettbewerbsminister in Luxemburg mit der Affäre befassen.

Auch in Deutschland ist die Debatte um mögliche Folgen in vollem Gang: Am Dienstag forderte die Deutsche Umwelthilfe eine Untersuchung der Vorgänge durch eine unabhängige Kontrollbehörde. »Wir haben in den vergangenen acht Jahren erlebt, wie das ehemals stolze Kraftfahrt-Bundesamt zum devoten Dienstleister der Autobauer verkam«, sagte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch in Berlin.

Die Gewerkschaft IG Metall wehrt sich unterdessen gegen drohende negative Folgen für die Belegschaft. Die Affäre bedeute einen »unendlichen Schaden« für das Produkt, den Konzern und den Standort Deutschland, sagte Gewerkschaftschef Detlef Wetzel in Frankfurt. Arbeitnehmer seien dafür nicht verantwortlich. Er gab aber zu, dass sich die IG Metall Fragen zu ihrem Beitrag zur VW-Unternehmenskultur stellen müsse.

Auch Autos der VW-Töchter Seat, Skoda und Audi sind von den Manipulationen betroffen. Der Audi-Betriebsrat bezeichnete den Skandal in einem Brief an die Mitarbeiter zwar als »grob fahrlässigen Fehler einiger weniger, der einem unternehmerischen Eigentor gleicht«, der Gesamtkonzern stehe jedoch zu Unrecht unter Beschuss. Die Sicherheit der Kunden sei nicht in Gefahr gewesen. Dennoch müsse die Unternehmenskultur neu durchdacht werden - »hin zu Offenheit, Transparenz und gegenseitigem Vertrauen - weg von starren Hierarchien«.

Neben der Unternehmenskultur müssen offensichtlich auch die VW-Finanzen neu durchdacht werden: Die bisherigen Rückstellungen dürften nicht ausreichen. Dies gehe aus einer Aussage von Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch auf einer Managerversammlung hervor, schreibt die »Automobilwoche«. Die veranschlagten 6,5 Milliarden Euro sind demnach vor allem für technologische Lösungen und Serviceleistungen vorgesehen. Schadenersatz, Anwaltshonorare und andere Kosten kämen obendrauf.

Das könnten Haftungsansprüche sein. Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) warnte vor drohenden Problemen mit Umweltplaketten. »Da kommt eine riesige Welle auf uns zu«, sagte er im Westdeutschen Rundfunk. Es sei fraglich, ob Plaketten für die manipulierten Fahrzeuge noch haltbar seien. Möglicherweise müssten Haftungsansprüche geltend gemacht werden.

In Kürze sollen zunächst die betroffenen Kunden schriftlich informiert werden, dass das »Abgasverhalten ihres Fahrzeuges« nachgebessert werden müsse, heißt es in einer Rede des neuen VW-Chefs Matthias Müller. Am Mittwochnachmittag steht in Wolfsburg erneut ein Krisentreffen des Aufsichtsratspräsidiums an. Aufsichtsratschef Berthold Huber, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Aufsichtsrat Wolfgang Porsche, Betriebsratschef Bernd Osterloh und dessen Stellvertreter Stephan Wolf soll dann der erste Zwischenbericht der internen Ermittlungen vorgelegt werden. Demnach fiel die Entscheidung zum Einbau der manipulierten Software bereits in den Jahren 2005 und 2006, und zwar in der Motorenentwicklung in Wolfsburg. Mit Agenturen

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