Rechte jagen nach AfD-Aufmarsch Linke durch Erfurt

Berichte über Verletzte bei mehreren Angriffen auf antifaschistische Demonstranten und Journalisten in Thüringen / Unter anderem ver.di-Landeschef verletzt / Rund 3500 bei Aufmarsch der Rechtspartei

  • Lesedauer: 6 Min.

Update 15.00 Uhr: Abgeordnete verlangen Distanzierung der AfD von Übergriffen
Vertreter mehrerer Landtagsfraktionen haben von der rechtspopulistischen AfD eine Distanzierung von Übergriffen und rechtsradikalen Parolen bei einer von ihr organisierten Demonstration in Erfurt verlangt. Darauf verständigte sich eine Mehrheit der Mitglieder des Ältestenrats des Landtags am Donnerstag. Die Linke-Fraktion hatte ein kurzfristiges Treffen des Gremiums beantragt, für das die Landtagssitzung vorübergehend unterbrochen wurde. Eine Stellungnahme der AfD werde erwartet, sagte Landtagspräsident Christian Carius.

Update 14.00 Uhr: Nicht nur Angriffe auf Journalisten
Der Angriff auf zwei Pressevertreter durch einen Teilnehmer der PEGIDA-Veranstaltung war am Montag nicht der einzige Vorfall. Wie die Polizei am Dienstag mitteilte, kam es nach dem Ende der Veranstaltung zu mindestens zwei bisher bekannt gewordenen rechten Übergriffen auf Migranten, bei denen insgesamt drei Personen verletzt wurden. Die Übergriffe sind ein weiterer Beleg dafür, dass die rechte Stimmungsmache durch PEGIDA in den letzten Monaten, in der Stadt zu einem kontinuierlichen Anstieg rassistischer Gewalttaten geführt hat. Trotz Kritik aus den Reihen der Linken, Grünen, SPD und Medien kündigte Dresdens Polizeisprecher Marko Laske auf Nachfrage an, am bisherigen Einsatzkonzept festzuhalten

Update 9.45 Uhr: Landtag unterbricht Sitzung
Der Thüringer Landtag hat seine Sitzung am Donnerstag kurz nach Beginn unterbrochen und den Ältestenrat des Parlaments einberufen. Der parlamentarische Geschäftsführer der Linken, André Blechschmidt, begründete den Antrag der rot-rot-grünen Koalitionsfraktionen mit den Angriffen auf Linke, Gewerkschafter und Passanten am Rande des rechten AfD-Aufmarsches gegen die Flüchtlingspolitik der Bundes- und Landesregierung am Mittwochabend in Erfurt. Die Grünen-Politikerin Astrid Rothe-Beinlich erklärte im Kurznachrichtendienst Twitter, der Ältestenrat »verurteilt Gewalt aus und im Umfeld der gestrigen Demo« in Erfurt und erwarte von der AFD eine »Klarstellung« sowie eine Distanzierung von Rechtsextremismus.

Rechte jagen nach AfD-Aufmarsch Linke durch Erfurt

Berlin. Am Rande eines von der Rechtspartei AfD organisierten Aufmarsches in Erfurt hat es erneut mehrere Angriffe von Rechtsradikalen auf antifaschistische Demonstranten gegeben. Wie unter anderem der stellvertretende Bezirksvorsitzende des DGB Hessen-Thüringen, Sandro Witt, berichtet, wurde bei einer Attacke auf ihn und andere der Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di in Thüringen »von diesen rechten Jägern« verletzt.

Bei dem rechten Aufmarsch seien wie schon eine Woche zuvor Hitlergrüße gezeigt worden. Auch von Angriffen auf Journalisten wurde berichtet, ein Kollege der »Thüringer Landeszeitung« twitterte, er sei »von Neonazis bedroht und verfolgt worden«. Ebenso auf Familien gingen die Rechtsradikalen offenbar los, »eine Frau mit Kind« sei »von Nazis angegriffen« worden, hieß es vor Ort. Dem »Kind wurde die Nase blutig geschlagen«.

Dutzende Menschen hätten ihm berichtet »wie viel Angst sie eben bei den Überfällen hatten und Polizisten überfordert sind mit dem Trennungsgebot«, so Witt im Sozialen Netzwerk Facebook. Nazigruppen seien durch die Stadt gelaufen, »um uns aufzumischen«, ein offenkundiger Teilnehmer der AfD-Aufmarsches habe gerufen: »Hoffentlich geht euch jetzt der Arsch ordentlich auf Grundeis.« Witt zeigte sich erschüttert von den Vorfällen, es seien auch Abgeordnete des Landtages von Rechten gejagt worden und hätten »mit panischem Blick« vor den Angreifern fliehen müssen, »während die Polizei es nicht mehr schafft, zu schützen«.

Einen Eindruck von der Stimmung vor Ort zeigt auch dieser Vorfall: Am Abend war das Stromkabel für den Verstärker der Bühne des rechten Aufmarsches zerschnitten worden, als ein Verdächtiger ergriffen wird, wird laut »Thüringer Allgemeinen« aus der Menge gerufen: »Auf die Bühne mit ihm und hinrichten.« als die Polizei die antifaschistische Gegendemonstration auffordert, den Platz zu räumen, skandieren die AfD-Anhänger: »Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen. Wir müssen zahlen für diese Asozialen.«

Die Polizei spielte die Vorgänge herunter. »Während, vor und nach der Versammlung kam es zu kleineren Auseinandersetzungen im Erfurter Süden«, wurde eine Polizeisprecherin nach dem Ende des rechten Aufmarsches zitiert. An dem hatten nach Behörden-Angaben rund 5.000 Menschen teilgenommen, darunter zahlreiche Neonazis aus Thüringen, wie dpa-Reporter berichteten. AfD-Frontmann Björn Höcke sprach von 8.000 Teilnehmern. Unabhängige Demobeobachter zählten hingegen 3.500 bis 3.800 Teilnehmer. Einige der Marschierer trugen Fahnen und Transparente rechtsextremer Organisationen. Aufgerufen zu den Protesten hatte die Rechtspartei AfD.

Rund 500 Gegendemonstranten hatten versucht, sich dem rechten Aufmarsch entgegenzustellen. »Die Stimmung war aufgeheizt. Demonstranten beider Seiten brüllten sich an«, berichtet die dpa. Beim Bündnis »Auf die Plätze fertig«, das zu den Protesten gegen die rassistische Kundgebung aufgerufen hatte, hieß es danach, der Aufmarsch »von AfD, Neonazis, Faschisten hat deutlich mehr Menschen mobilisiert als die Gegenproteste. Das ist ein Problem, an dem gearbeitet werden muss«. Dies sei vor allem deshalb auch eine drängende Frage, »weil die Gewalt durch das Klientel«, das die Afd anlocke, »von Woche zu Woche ansteigt«.

Bereits in der vergangenen Woche waren rund 2.000 Menschen dem Aufruf der AfD gefolgt, darunter auch viele Neonazis. Und es hatte bereits Angriffe von Rechtsradikalen auf linke Jugendliche am Rande der AfD-Demonstration vor einer Woche gegeben. Der Innenpolitische Sprecher der Linken im Thüringer Landtag, Steffen Dittes, hatte daraufhin gefordert, »eine strafrechtliche Ahndung der Gewalttat und ein deutliches Stopp-Signal gegen rechte Gewalt« seien nötig. Berichten zufolge hatte am Mittwoch vor einer Woche eine Gruppe von etwa 40 Neonazis in der Innenstadt auf alternative Jugendliche eingeschlagen und diese teilweise auch verletzt. Zuvor hatte es einen Aufmarsch der Rechtspartei AfD gegeben, an dem sich rund 2.000 Menschen beteiligten – darunter Neonazis.

»Wir haben unsere NPD im Parlament«
Entsetzen über Ausmaß und Parolen einer AfD-Demonstration vor der Erfurter Staatskanzlei

Die Polizei teilte ohne nähere Angaben mit, es werde wegen Beleidigung, Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie das Betäubungsmittelgesetz ermittelt. Außerdem gebe es Anzeigen wegen Sachbeschädigung und Körperverletzungen sowie Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. Nach ihren ersten Erkenntnissen habe es nur leichte Verletzungen gegeben, erklärte die Polizeisprecherin. Mehrere Parteien, Gewerkschaften und Verbände hatten zum Protest gegen den Aufmarsch der AfD aufgerufen. Landtagspräsident Christian Carius von der CDU hatte erklärt, »Toleranz und Respekt enden dort, wo gehetzt und verunglimpft wird.« Meinungsfreiheit finde dort ihre Grenzen, wo rechtsstaatliche Grundsätze und die Menschenwürde verletzt werden. vk/Agenturen

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