Bodenoffensive von Syriens Militär

NATO-Generalsekretär warnt Russland vor weiterer »Eskalation« / Drängelei im Luftraum

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 3 Min.
Der syrische Kriegsschauplatz wird zum Ersatz-Kampffeld der Großmächte; jeden Tag ein bisschen mehr. Auf Entspannung stehen die Zeichen aber nicht.

Der Vorwurf aus Washington ist schroff: Mehr als 90 Prozent der russischen Luftangriffe in Syrien, so behaupten es die USA definitiv, richteten sich nicht gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) oder Al Qaida nahestehende Kämpfer. Vielmehr seien »moderate Rebellen«, die gegen die Regierung kämpfen, angegriffen worden. Was sind »moderate Rebellen« im Unterschied zu Dschihadisten? Im Zweifelsfall sind es jene regierungsfeindlichen Milizen, so US-Senator John McCain vorige Woche in dankenswerter Offenheit, die »unsere CIA ausgebildet und ausgerüstet« hat. Vorausgesetzt, die russischen Piloten hätten tatsächlich Befehl, den »US-gestützten« Teil der Anti-Assad-Krieger zu verschonen: Woran sollten sie die erkennen?

Man darf dennoch davon ausgehen, dass der Argwohn des Pentagons berechtigt ist. Auch wenn die Russen es nicht offiziell postulieren - sie haben von Anfang keinen Zweifel gelassen, dass es ihnen mit ihrem militärische Eingreifen darum geht, die Regierungstruppen zu unterstützen, gegen welche Milizen auch immer.

Aber Washington hat argumentativ schlechte Karten. Zum einen verweigert es eine förmliche Koordinierung seiner Aktivitäten in Syrien mit Russland. Und sie wäre wohl notwendig.

Erst am Donnerstag beklagte ein Vertreter aus dem Verteidigungsministerium in Washington, zwei US-Flugzeuge hätten ihren Einsatz über Syrien abbrechen müssen, weil sie russischen Maschinen ausweichen mussten. Betroffen gewesen sind laut AFP zwei F-16-Kampfflugzeuge. Sie hätten ihre Route ändern müssen, um nicht zu nahe an russischen Jets zu kommen. Dennoch will US-Verteidigungsminister Ashton Carter »keine Kooperation mit Russland bei den Luftangriffen in Syrien«. Warum? Moskau verfolge in Syrien »die falsche Strategie«. Im Klartext: Sie stützen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, wir wollen ihn stürzen. Es gibt noch einen weiteren Grund, aus dem die Amerikaner zurückhaltender sein sollten in puncto Erkennbarkeit des »richtigen« Bombenziels. Gerade haben ihre Kampfflieger in Afghanistan ein Krankenhaus bombardiert unter der Behauptung, dort hätten sich »feindliche Kämpfer« aufgehalten. Und sie wanden sich drei Tage lang, ehe sie einräumten, dass sich keine Taliban dort aufhielten.

Die syrische Armee scheint bereit und in der Lage zu sein, die Gunst der Stunde nutzen zu wollen. Gestärkt durch die russischen Luftangriffe ist man dabei, die Attacken sowohl auf Stellungen des IS als auch anderer Rebellengruppen auszuweiten. »Die syrischen Streitkräfte haben heute eine groß angelegte Offensive gestartet, um die Terrorgruppen zu besiegen und die Gegenden und Dörfer zu befreien, die unter dem Terror und seinen Verbrechen gelitten haben«, zitierte das Fernsehen am Donnerstag den syrischen Generalstabschef Ali Abdullah Ajub. Die Damaszener Zeitung »Al-Watan« berichtete, die syrische Armee habe schon knapp ein Dutzend Dörfer und insgesamt 70 Quadratkilometer zurückerobert.

NATO-Generalsekretär Stoltenberg hat unterdessen beim Treffen der 28 Bündnis-Verteidigungsminister in Brüssel der Türkei den Beistand des Bündnisses gegen russische Luftraum-Verletzungen zugesichert, die er für absichtlich verursacht erklärte. Dies habe »Folgen für die Sicherheit der Allianz«. Deutschland, so Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, halte dennoch am Abzug seiner »Patriot«-Luftabwehrsysteme aus der Türkei fest: »Es ist die Frage, welche Gefahr wie gebannt werden kann«, und in diesem Kontext sei die Entscheidung richtig.

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