Überfrachtet
Tom Strohschneider über die Vergabe des Friedensnobelpreises
Der diesjährige Friedensnobelpreis ist sicher eine Ermutigung: Mit dem tunesischen Dialog-Quartett sind jene ausgezeichnet worden, die in einem Land am Rande des Bürgerkrieges die Chance auf inneren Frieden wahrten. Es ist auch ein Preis für den »arabischen Frühling«, der in Tunesien begann, Diktaturen zu Fall brachte - aber vielerorts in einem Winter aus Terror, Reaktion und Konflikt erstarrt ist.
So betrachtet kommt die Vergabe zu spät. Und wenn nun oft davon die Rede ist, mit der Ehrung werde ein Zeichen für friedliche Konfliktlösung gesetzt, wird auch die Überfrachtung mit Erwartungen kenntlich. Das Vergabekomitee hat dies mit umstrittenen Auswahlen verstärkt, die sich entweder als falsche Vorschusslorbeeren herausstellten (Obama) oder es an kritischer Sicht auf die Geehrte vermissen ließen (EU).
Auch die deutsche Debatte über Merkel als Preiskandidatin stand unter dem Eindruck eben dieser Erwartungsüberfrachtung - es ging ja nicht darum, die Kanzlerin für irgendeine friedensstiftende Tat zu würdigen, sondern ihr gegen jene den Rücken zu stärken, die ihr in denselben im Streit um die Asylpolitik fallen wollen.
Vom Urgedanken des Stifters wäre eine Vergabe an Merkel so weit entfernt gewesen, wie es jene an Obama oder die EU waren. Alfred Nobel wollte jene geehrt wissen, die »am meisten« für Frieden getan haben und damit »im vergangenen Jahr der Menschheit« nutzten. Wäre dies tatsächlich der Maßstab, es wäre im Lichte all der aktuellen Kriege vielleicht eher angemessen gewesen, den Preis in diesem Jahr einzubehalten.
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