Das ProblemLöser-Spiel

»Toxik« - die neue Theater-Game-Hybride von machina eX

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 3 Min.

Kollaboration ist das Zauberwort unserer Tage. Einübungen in solche Verfahrensweisen bietet derzeit das Game-Performance-Kollektiv machina eX mit ihrer neuen Produktion »Toxik«. Zuschauer werden auf der Probebühne des HAU3 zu Teilnehmern bei dem Versuch, drei Mordfälle aufzuklären. Interessant sind dabei nicht in erster Linie die Erzählstränge, obwohl sie in diesem Falle dank der Mitarbeit des Spieleentwicklers Martin Ganteföhr an szenischer Dichte und auch an Komplexität gewonnen haben. Spannend ist vor allem, wie sich eine per Zufall zusammengefundene Zuschauerschar gegenseitig beim Erkennen und Lösen von Problemen unterstützt und auch gemeinsam lernt, Enttäuschungen beim kollektiven Versagen zu verarbeiten.

Handlungsorte sind ein leicht vergammelt wirkendes Polizeirevier, das von einem der Beamten geleitet wird, der mit seiner hyperrealistischen Retroausstrahlung aus einem alten Fassbinder-Film stammen könnte, sowie die Tatorte Gartenlaube und Teestube. Zu einem dritten Tatort gelangt man am Ende. Auch eine Station in einem Krankenhaus und eine recht düstere Bar gehören zum Setting.

Die Performance-Teilnehmer finden sich schnell in der Situation wieder, die ans Krankenbett gefesselte, ihrem Tod entgegendämmernde Polizistin M. in einer Art Reenacting bei der Bearbeitung ihrer letzten Fälle zu begleiten. Um sie so - bestenfalls - doch noch dem Tode zu entreißen. Das ganze kriminelle Panoptikum von Spielbankräubern über korrupte Polizisten, osteuropäische Mafia bis hin zu Terrororganisationen spielt hier eine Rolle.

Um den vollen Rätselspaß zu gewährleisten, bleiben die nachzuverfolgenden Spuren und die Code-Konstruktionen, die zunächst zu entdecken und dann zu knacken sind, hier unerwähnt. Auch stellt sich die Dynamik jeder Gruppe immer wieder neu dar, hängt sie doch von den einzelnen Beteiligten und deren intellektueller Tagesform, dem Grad der Entdeckerfreude und dem Interesse am gemeinsamen Handeln ab. Bezaubernd ist es, wie simple praktische Tätigkeiten, die ganz ohne Elektronik auskommen, mit Spielen um historische Audio-Speicher, Passwort-Konfigurationen der frühen Computer-Ära und jüngeren Scan-Technologien verknüpft werden.

»Toxik« ist auf einer Wahrnehmungsebene also auch ein Themenpark für Technologienostalgiker. Seinen größten Reiz entfaltet es indes als eine kollektive Problemlösungspraxis. Die Produktion hat nicht den Bildungseffekt wie einst »Hedge Knights«, ein sehr reizvolles Projekt von machina eX aus dem Jahr 2013 über Börsenspekulationen. Sie surft auch nicht auf aktuellen Aufregern wie das - mit der Realität dann doch nicht mithalten könnende - Flüchtlingslagerspiel »Right of Passage« (im Juni diesen Jahres im HAU zu sehen). »Toxik« ist ein Krimi mit moderat verschlungenen Erzählsträngen - und eine Rückkehr der einst in Hildesheim gegründeten Truppe zu ihrem Kernarbeitsfeld: Rätselspiele für temporäre Kollektive im lebensgroßen Format zu erschaffen.

9.-11., 13.-17.,19.-21. Oktober, jeweils 19 und 21 Uhr, HAU3

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