Wagenknecht und Bartsch sind gewählt
Gysi lobt Kohl und nennt SPD »Luschenverein« / Ex-Linksfraktionschef will auch im Falle von Rot-Rot-Grün nicht zurückkommen
Update 16.25 Uhr: Linkendoppelspitze gratuliert Fraktionsdoppelspitze
Die Vorsitzenden der Linkspartei, Katja Kipping und Bernd Riexinger, haben den neuen Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch zu ihrer Wahl gratuliert und freuen sich nach eigenen Angaben auf »eine konstruktive und gute Zusammenarbeit. Die Linksfraktion setzt mit der neu gewählten Doppelspitze weiter ihren konsequenten Kurs als Oppositionsführerin fort«, hieß es in einer Erklärung, in der von großen Herausforderungen die Rede ist, »die wir gemeinsam angehen«. Dank richteten Kipping und Riexinger an Gregor Gysi »für seinen unermüdlichen Einsatz für den Aufbau der LINKEN, ihm gebührt ein großer Anteil daran«, dass die Linkspartei »eine gesamtdeutsche stabile Kraft in der deutschen Parteienlandschaft geworden ist«.
Update 14.30 Uhr: Wagenknecht und Bartsch sind gewählt
Die Linksfraktion im Bundestag hat Sahra Wagenkencht und Dietmar Bartsch als neue Fraktionsvorsitzende gewählt. Bartsch habe 91,6 Prozent erhalten, hieß es aus der Fraktionssitzung. Wagenknecht wurde mit 78,3 Prozent der Stimmen gewählt. Es wurden jeweils 60 Stimmen abgegeben, alle Voten seien gültig gewesen, hieß es aus der Fraktion. Wagenknecht erhielt 47 Ja-Stimmen, Bartsch 55 Ja-Stimmen.
Die Grenzen der Oppositionspolitik
Im Bundestag kooperiert eine linksgrüne Zweckgemeinschaft zeitweise miteinander. Differenzen sind jedoch unübersehbar.
Die Doppelspitze rauft sich zusammen
Trotz aller Gegensätze: Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht vertreten öffentlich auch gemeinsame Positionen.
Formel 40-25-10
Tom Strohschneider über bundespolitische Stagnation, drängende Herausforderungen und eine Lücke, die links niemand füllt.
Beim innerparteilichen Forum demokratischer Sozialismus, dem Bartsch angehört, hieß es, »zwei unserer bekanntesten und profiliertesten Politiker« seien nun an der Spitze der Fraktion. Man habe »keinen Zweifel, dass beide diese Verantwortung gemeinsam und solidarisch ausfüllen«. Mit Blick auf die inhaltliche Differenzen hieß es, »dabei werden nicht nur die vielen Inhalte ignoriert, bei denen unter uns Linken Einigkeit besteht, sondern auch vergessen«, dass die Linkspartei »eine plurale und keine Einheitspartei« sei. Bartsch und Wagenknecht würden »gemeinsam ein breites Spektrum innerhalb« der Linken abdecken.
Update 14.10 Uhr: Und noch ein Gysi-Interview
Als bisheriger Vorsitzender der Linksfraktion im Bundestag und überhaupt ist Gregor Gysi kurz vor seinem Abgang hoch gefragt. Dem RedaktionsNetzwerk Deutschland sagte er nun, dass er die SPD »für einen ziemlichen Luschenverein« hält und deshalb nie gern Sozialdemokrat geworden wäre. »Die wissen ja nicht mal, ob sie nur das Gegenüber zur CDU werden wollen, oder doch nur ein Anhängsel bleiben wollen«, so Gysi. Die SPD müsse begreifen, dass es auch ihr gut tue, wenn sie von einer Linkspartei »unter Druck gesetzt« werde. Er kenne im Übrigen niemanden in der SPD von heute, »der Kanzlerformat« habe. Das ist eine klare Ansage in Richtung Sigmar Gabriel. Großes Lob hat Gysi derweil für einen früheren Kanzler übrig: »Helmut Kohl hat seine wirklich großen Marken gesetzt mit der Herstellung der deutschen Einheit.« Kohl sei »ein Europäer« gewesen, der mit Leidenschaft den Weg zur europäischen Integration gegangen sei. Gysi erneuerte sein Vorhaben, einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. »Und auf den freue ich mich auch. Deshalb geht es nicht mehr zurück. Bis heute bin ich ein Politiker, und ab morgen bin ich ein Gesellschaftspolitiker.«
Grüner Hofreiter lobt »unermüdlichen« Gysi
Berlin. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat Bedauern über den Rückzug von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi geäußert. »Mit Gysi tritt ein unermüdlicher Kämpfer für Gerechtigkeit in die zweite Reihe«, sagte Hofreiter im Gespräch mit der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Er werde den Witz und die Scharfzüngigkeit des 67-Jährigen in den Debatten des Bundestages vermissen. Hofreiter äußerte die Hoffnung, dass die Linke den Abschied Gysis vom Spitzenamt zur Selbstklärung nutzen und sich »endlich konstruktiv an einem sozial-ökologischen Politikwechsel« beteiligen werde.
An diesem Dienstag legt Gysi ein zweites Mal seinen Chefposten in der Linken-Bundestagsfraktion nach zehnjähriger Amtszeit nieder. Fast auf den Tag genau vor 15 Jahren wurde der Politiker schon einmal als Linksfraktionschef im Bundestag verabschiedet.
Der designierte Nachfolger Dietmar Bartsch sagte zu seiner künftigen Ko-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, »wir werden nicht jede Position einheitlich haben«. Bei Radio Eins nannte er als Beispiel die Europapolitik. Dies sei aber kein Nachteil. Politisch stehe die Linke vor Herausforderungen, »wo es ja furchtbar wäre, wenn wir wieder zu einer Einheitspartei verkümmern würden«. Gysi habe die unterschiedlichen Kräfte in der Partei zusammengehalten, sagte Bartsch weiter. »Ja, er hat manches zugedeckt.« Allerdings sei er sich mit Wagenknecht »in 90 Prozent der Fragen« einig, etwa in der Sozial-, Gesundheits- und Energiepolitik. »Da gibt es überhaupt keine Differenzen.«
Gysi zeigte sich zuversichtlich, dass es den beiden gelingen wird, die Fraktion zusammenzuführen. »Wenn sie einen Kompromiss für die Partei und die Fraktion suchen und finden und er von der Mehrheit akzeptiert wird, dann geht es«, sagte Gysi. Es hänge aber auch davon ab, »wie klug die beiden es machen. Wenn sie einen Kompromiss für die Partei und die Fraktion suchen und finden und er von der Mehrheit akzeptiert wird, dann geht es. Wenn sie nur einen Kompromiss zwischen sich suchen oder wenn sie meinen, dass man als Vorsitzende in wichtigen Fragen auch Minderheitsmeinungen vertreten kann, dann kann das Ganze auch schiefgehen.«
Gysi erklärte weiter, er wolle sich »nicht dazu verleiten lassen, die Fraktion in irgendeiner Weise weiter zu führen. Das geht nicht.« Der scheidende Linksfraktionschef strebt auch bei einem möglichen Regierungswechsel zu Rot-Rot-Grün keinen Spitzenposten mehr an. »Dann muss ich nicht Minister werden. Ich würde dann ja auch schon in meinem neuen Lebensabschnitt stecken, zu dem das nicht mehr passte«, sagte er in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Das Amt des Außenministers hätte ihn zwar mal interessiert. »Das hat aber einen Nachteil: Man muss gut Englisch sprechen. Mein Englisch reicht dafür nicht aus.«
Nach 21 Jahren in politischen Ämtern sagte Gysi im Sender Phoenix, es seien zwei Dinge erreicht worden: »Die Eliten aus dem Osten, auch die Funktionärsebene, mit in die Deutsche Einheit zu führen. Das war die erste Leistung. Die zweite: Deutschland europäisch zu normalisieren, indem jetzt allgemein in der Gesellschaft respektiert wird, dass es ganz gut ist, dass es eine Partei links von der Sozialdemokratie im Bundestag gibt. Das war vor 1989 undenkbar«, sagte der Linken-Politiker. Agenturen/nd
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