Commons Cuisine statt Catering
Die »UN|COMMONS«-Konferenz fragt, wie Gemeineigentum erkämpft werden kann
Sie werden drei Tage über Commons sprechen. Commons - was ist das eigentlich?
Commons sind Güter und Ressourcen, die so unterschiedlich wie Wasser und Wissen, so unterschiedlich wie Luft oder Daten sein können. Und es geht dabei um die Frage des Eigentums: Wem gehören diese Güter eigentlich? Sind sie staatlich, privat oder etwas anderes? Die Commons-Idee schlägt einen dritten Weg vor, nämlich diese Güter als Gemeinschaftliches, als Gemeineigentum zu denken.
Was sind Ihre Schwerpunkte?
Wir haben uns gefragt, vor welchen Herausforderungen wir heute als Zivilgesellschaft stehen, wenn wir die Commons stark machen wollen. Am ersten Abend ist Griechenland der Schauplatz, wo staatliche und privatwirtschaftliche Sektoren am Zusammenbrechen sind. Am zweiten Abend lenken wir den Blick auf scheinbar intakte Orte wie Deutschland oder die USA und auf das, was dort im Argen liegt. Wir fragen, welche Antwort es seitens der Bürger und der Zivilgesellschaft gibt.
Wie stellen Sie sich die Verwandlung in ein Gemeingut vor?
So universell kann man das nicht beantworten. Ich kann nicht über Wissen, Daten und Netzwerke dasselbe sagen wie über Wasser, Lebensmittel und Patente auf Medikamente. Dennoch gibt es generell zwei Möglichkeiten: Entweder man kämpft denen, die aktuell Besitzansprüche haben, diese ab, oder man stellt parallel dazu die Lebensgrundlagen selbst her. Heute lässt sich das eine wie das andere beobachten. Wir nennen diesen Prozess der Entstehung von Gemeineigentum »Commoning«.
Wie stehen Ihrer Meinung nach die Chancen dafür?
Sicherlich besteht die Welt heute größtenteils nicht aus Commons, ist entweder in privater oder staatlicher Hand. Teilweise haben wir aber schon gemeinschaftliches Eigentum, wir können uns also anschauen, wie es funktioniert. Häufig ist das, was heute common ist, schon immer common gewesen - Luft zum Beispiel. Aber es gibt, wie gesagt, auch den Prozess der Aneignung.
Haben Sie konkrete Beispiele für diese Aneignung gefunden?
Es gibt schon viele Menschen, die damit angefangen haben. Griechenland zum Beispiel: Viele haben sich nicht einfach damit abgefunden, dass der Gesundheitssektor und die Krankenhäuser zusammenbrechen. Und statt den langen Weg zu gehen und diesen Sektor von Grund auf zu transformieren, haben die Leute angefangen, diesen Sektor einfach selbst in die Hand zu nehmen und haben eigene, von Bürgern betriebene Solidar-Kliniken, aufgebaut. Es gibt davon derzeit über 50 in Griechenland, und das sind tatsächlich Orte, die von Bürgern organisiert werden. Über Freunde finden sich ausgebildete Ärzte oder Leute, die über Medikamente verfügen. Diese Kliniken werden von einem großen Teil der Bevölkerung genutzt und in zunehmendem Maße auch von Geflüchteten.
Ihre Konferenz in Berlin: eine klassische Infoveranstaltung?
Wir haben uns vorgestellt, dass die Abende jeweils eine künstlerische Rahmung bekommen. Von den drei Abenden ist der über Griechenland vielleicht noch am ehesten klassische Information und Berichterstattung. Aber auch hier geht es nicht um die harte Debatte, sondern wir wollen den Leuten das Mikrofon geben und sie etwas aus ihrem Leben erzählen lassen. Wir nennen das »Storytelling«, es geht um das Geschichtenerzählen. Da treten Leute, die wir aus Griechenland eingeladen haben ans Mikrophon und erzählen von ihren Erfahrungen. Das Ganze wird moderiert von Marina Sitrin, einer der Mitbegründerinnen von Occupy Wall Street in New York, die sich in letzter Zeit in Griechenland engagiert hat.
Am Freitagabend geht es um Überwachung. Was hat das mit Commons zu tun?
Spätestens mit den Snowden-Enthüllungen ist doch sehr deutlich geworden, wie bei der Überwachung Staaten und Märkte Hand in Hand zusammenarbeiten. Big Data, große Datenmengen, die von Großkonzernen intransparent verwaltet werden, spielen eine zentrale Rolle, deshalb wollen wir über die Vergemeinschaftung von »Big Data« sprechen. Besonders widmen wir uns den Whistleblowern, weil sie bei dieser Vergemeinschaftung nach unserer Ansicht den Stein ins Rollen bringen, den ersten Schritt machen.
Auch hier wird nicht bloß referiert?
Genau, da wird es von der Theaterregisseurin Angela Richter eine Performance geben, die sie mit Schauspielern und anderen Beteiligten inszeniert. Es wird da um die jüngsten Geschehnissen rund um Chelsea Manning und andere gehen. Und um die Motivation der Whistleblower: Warum machen sie das? Was kritisieren sie da eigentlich? Situationen, in die Whistleblower oder Netzaktivisten geraten sind, werden auf die Bühne gebracht.
Die Konferenzsprache soll Englisch sein. Werden Übersetzungen angeboten?
Die Sprache sollte nicht als Hürde begriffen werden. Da kommen ja Leute aus Frankreich, England, Skandinavien, Südeuropa, Osteuropa, Japan. Da kommt man ganz schnell miteinander ins Gespräch, auch wenn man jetzt nicht perfekt Englisch kann. Es ist ja keine Fachtagung. Das Ganze soll sehr dialogisch ablaufen.
Noch eine interessante Sache findet am Sonnabend statt: gemeinsames Kochen, »Commons Cuisine«. Wie kamen Sie auf die Idee?
Wir wollten am Ende einfach gemeinsam essen, aber kein Catering: Das passte irgendwie nicht ins Thema. Wir haben ziemlich lange gesucht und jemanden gefunden, der das Ganze an einer sehr unüblichen Schnittstelle von Politik, Kunst und eben auch Kochen betreibt. Das ist der Künstler und Koch Pepe Dayaw, der in der Lage ist, aus Kochen tatsächlich einen kollaborativen Prozess zu machen. Also, das finde ich auch ziemlich erstaunlich.
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