Meinungsfreiheit existiert nur auf dem Papier

Marvin Israel Túnchez über ökonomische und sonstige Abhängigkeiten im guatemaltekischen Journalismus

  • Lesedauer: 3 Min.

Herr Túnchez, Sie sind Journalist. Wo arbeiten Sie derzeit?

Ich arbeite für lokale Sender, den Kabelkanal 14 und den Kanal 23, die beide einem Geschäftsmann gehören, der der Patriotischen Partei nahesteht. Deshalb hatte der Sender zwischenzeitlich auch keine Sendeerlaubnis, weil befürchtet wurde, dass im Wahlkampf einseitig berichtet werden könnte.

Seit wann arbeiten Sie als Journalist?

Seit 2003, also gut elf Jahre. Ich habe damals soziale Kommunikation studiert und habe parallel zum Studium begonnen, zu arbeiten. Dabei habe ich vieles erlebt, vom Lynchmord über brutale Militäraktionen auf dem Land sowie unzählige Demonstrationen und so fort. Dabei vergisst man einige Dinge nicht wie den Besuch in dem Dorf, in dem die lokale Bevölkerung gegen die Bandenkriminalität vorging und Anhänger von Banden verfolgte - auch ein Akt der Selbstjustiz. Mehrere meiner Kollegen sind in diesen elf Jahren Opfer von Attentaten und Angriffen geworden - Danilo und Federico waren nur die Letzten.

Wie ist die Situation für Medienvertreter in der Region um Mazatenango?

Es gibt kein Respekt für Medienvertreter und der Staat ist, obwohl die Verfassung es anders vorschreibt, derjenige, der die Pressefreiheit immer wieder verletzt. Hinzu kommt, dass Journalismus auf lokaler und regionaler Ebene sehr schlecht bezahlt wird, denn es stehen kaum Ressourcen zur Verfügung. Das Gros der Kollegen ist zum Journalismus gekommen, weil es ihnen gefällt, weil sie neugierig sind, etwas anschieben wollen. Doch da es wenig zu verdienen gibt, gibt es auch immer den ökonomischen Einfluss und Abhängigkeiten.

Werden die Pressevertreter als Ins-trument wahrgenommen ...

Ich denke, dass alle Journalisten in Guatemala auf die eine oder andere Art Instrumente sind! Aus diesem Grunde bin ich auch überzeugt davon, dass die Meinungsfreiheit nur auf dem Papier existiert, in der Praxis ist es schon deutlich schwieriger. Staatliche Funktionäre und ökonomische Eliten geben de facto den Rahmen vor, in dem man sich als Berichterstatter bewegt oder bewegen kann.

Wie denken Sie über die Arbeit Ihrer beiden erschossenen Kollegen Danilo López und Federico Salazar?

Wer nicht den Interessen der staatlichen Funktionäre nachkommt, geht ein Risiko ein - das ist unstrittig. López hat viele Artikel über Anklagen, Missstände gemacht - das hat mich und einige andere Kollegen interessiert. Hier arbeiten wir oft in kleinen Gruppen, ergänzen, helfen uns - da gibt es schon ein Interesse für bestimmte Themen. Generell habe ich mit Danilo aber nur sporadisch zu tun gehabt, wir waren nicht befreundet. Er und Federico waren in einem anderen Ambiente unterwegs, recherchierten investigativ, ich habe in erster Linie berichtet, jeden Tag Berichte gemacht, da bleibt nicht viel Zeit übrig - ich habe meinen Job gemacht.

Wie denken Sie über neue Akteure wie »Nómada« oder »Plaza Pública«, die Online-Journalismus machen?

Ja, die sind schon ganz schön anders, liefern investigative Reportagen, das ist schon gut. Aber es ändert nichts an der generellen Situation der Journalisten in Guatemala - wir sind Freiwild. Wer uns angreifen will, geht kein großes Risiko ein, denn Morde wie der an Danilo und Federico werden in aller Regel nicht gesühnt.

Ist das auch ein Grund, weshalb Sie Recht studieren - wollen Sie in absehbarer Zeit dem Journalismus den Rücken kehren?

Ja, ich bin jetzt im achten Semester und plane, irgendwann lieber Leute juristisch zu beraten, statt sie journalistisch zu befragen. Aus meiner Perspektive bietet der Journalismus mir wenig Perspektiven. Zuerst einmal müsste der Staat die demokratischen Grundrechte in Guatemala garantieren, um echte Meinungsfreiheit zu erreichen.

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