Diesel teurer, Benzin billiger
Frankreich ändert Kraftstoffsteuer, um den Kauf umweltfreundlicherer Autos zu fördern
Der VW-Skandal hat nicht nur in Deutschland, sondern auch international Folgen. Neben besseren Kontrollmechanismen wird auch über den Treibstoff Diesel selbst diskutiert. Etwa in Frankreich: Anfang der Woche verabschiedete die Nationalversammlung in erster Lesung das Gesetz über den Staatshaushalt. Wenige Tage zuvor hatte das Parlament auf Initiative der Regierung eine möglicherweise folgenschwere Änderung eingefügt. Laut dem neuen Paragrafen wird ab 1. Januar 2016 die Mineralölsteuer modifiziert - der Preis für Dieseltreibstoff steigt um einen Cent, Benzin wird um einen Cent billiger. Am 1. Januar 2017 erfolgt ein zweiter solcher Schritt. Auslöser für den Sinneswandel war der Skandal um manipulierte Abgaswerte beim Wolfsburger Autobauer Volkswagen.
Durch die Neuregelung verringert sich der durch eine niedrigere Besteuerung verursachte Preisvorteil von Diesel gegenüber Benzin, der derzeit 15 bis 16 Cent pro Liter beträgt, innerhalb von zwei Jahren um etwa ein Viertel. Durch einen weiteren schrittweisen Abbau der traditionell geringeren Besteuerung von Diesel will die Regierung innerhalb der nächsten fünf Jahre erreichen, dass sich Benzin- und Dieselpreis angleichen.
Im Interesse einer geringeren Belastung der Luft mit Feinstaub und Klimagasen sollen die Franzosen dazu bewegt werden, mehr Autos mit Benzin- als mit Dieselmotor zu kaufen. Heute sind 64 Prozent der neu verkauften Pkw Dieselfahrzeuge. Damit liegt Frankreich nach Irland (73 Prozent), Luxemburg (72 Prozent) und Portugal (71 Prozent) auf dem vierten Platz in Europa, gefolgt von Deutschland mit 48 Prozent. Die französische Regierung rechnet durch die Mineralölsteueränderung mit etwa 250 Millionen Euro an Mehreinnahmen pro Jahr. Sie will diese Mittel dafür verwenden, die Kommunalsteuern für die einkommensschwächsten Haushalte - etwa 100 000 Familien - zu senken.
Dieseltreibstoff und Schweröl ist in Frankreich seit dem Zweiten Weltkrieg niedriger besteuert worden, weil er vor allem in der Landwirtschaft und im Straßentransport benötigt wurde, aber auch in der Energiewirtschaft und bei der Wärmeerzeugung, bis in den 1960er Jahren die Kernkraft ihren Siegeszug antrat und Elektroheizungen die Ölheizungen verdrängten.
Der Steuervorteil blieb jedoch bestehen und wurde von privaten Autofahrern weidlich ausgenutzt. Obwohl die Notwendigkeit einer Kursänderung schon seit Jahren diskutiert wurde, hat die Regierung bisher mit Rücksicht auf die Kaufkraft der Masse der Franzosen gezögert, entsprechende Maßnahmen zu treffen. Der aktuelle Diesel-Skandal bei VW, der in Frankreich nach Angaben des Konzerns knapp eine Million Autos betrifft und in der Öffentlichkeit mit Empörung aufgenommen wurde, hat die Entwicklung beschleunigt. Die Regierung kann für ihre Maßnahme nun vermutlich mit mehr Akzeptanz rechnen. Dazu trägt auch bei, dass die Preise für Treibstoffe seit einem Jahr gesunken sind.
Die Umweltverbände sind über die Maßnahme dagegen nicht glücklich. So kurz vor dem Klimagipfel in Paris hätten sie mehr erwartet. Sie kritisieren vor allem, dass Benzin billiger wird und damit ein falsches Signal gesetzt werde, statt den öffentlichen Nahverkehr zu fördern.
Wie die Autofahrer reagieren, bleibt abzuwarten. Ein schneller Effekt ist unwahrscheinlich, denn ein Cent pro Liter mehr bedeutet für jemanden, der im Jahr 15 000 km fährt, nur neun Euro an Mehrkosten. Paris scheut sich aber, Dieselautos an den Pranger zu stellen, zumal die Industrie, die viel in moderne Fertigungsstrecken für Dieselmotoren investiert hat, Zeit für die Umstellung braucht. Das ist auch ein soziales Problem, denn wenn der Wiederverkaufswert von Dieselautos einbricht, werden Halter de facto teilenteignet. Zudem sind viele gering verdienende Franzosen, zumal wenn sie im Schichtdienst arbeiten oder auf dem Land leben, auf ihr Auto angewiesen, das oft ein älterer und somit weniger umweltfreundlicher, aber verbrauchsärmerer und damit billigerer Wagen mit Dieselmotor ist. Darum hat die Paris auch die Prämie für das Verschrotten eines über zehn Jahre alten Dieselautos von 500 auf 1000 Euro erhöht.
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