Österreich beschränkt Asylrecht auf drei Jahre

Koalition streitet über Massenhaftanstalten für Flüchtlinge / SPD kritisiert die Papier der Unionsparteien zu «Transitzonen» / CSU fordert SPD zum Einlenken auf / Gabriel schlägt Einreisezentren vor

  • Lesedauer: 10 Min.

Update 15.35 Uhr: Österreich beschränkt Asylrecht auf drei Jahre
Österreich verschärft angesichts des Andrangs der Flüchtlinge seine Asylbestimmungen. Vom 15. November an werde das Land nur noch «Asyl auf Zeit» gewähren. Darauf einigte sich nach Angaben des Innenministeriums die große Koalition in Wien am Montag. Künftig werde generell nur noch für eine Frist von drei Jahren Schutz gewährt, danach laufe das Aufenthaltsrecht automatisch aus. Es werde dann geprüft, ob die Schutzgründe weiter bestünden, hieß es. Der Familiennachzug wird an verschiedene Voraussetzungen gekoppelt. Dazu gehören ein ausreichendes Einkommen, eine Unterkunft und eine Krankenversicherung. Österreich ist als Transit- und Asylland von der Flüchtlingskrise ähnlich stark betroffen wie Deutschland.

Update 15.30 Uhr: Kipping sieht in Koalitionsgipfel einen Affront gegen SPD
Der Koalitionsgipfel zur Flüchtlingskrise war aus Sicht der Linken ein Affront gegen die SPD. Es sei allerdings auch nicht klar, worin genau die Position der SPD bestehe, sagte Parteichefin Katja Kipping am Montag in Berlin. Nachdem das Dreiertreffen mit SPD-Chef Sigmar Gabriel am Sonntag ohne klares Ergebnis geblieben war, einigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer auf einen Forderungskatalog, in dem Transitzonen als «vordringlichste Maßnahme zur besseren Kontrolle unserer Grenze» bezeichnet werden.

Update 15.15 Uhr: Gabriel fordert Union auf, Transitzonen fallen zu lassen
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die Union aufgefordert, die Forderung nach Transitzonen für Flüchtlinge fallenzulassen. «Die Debatte um sogenannten Transitzonen ist aus unserer Sicht eine totale Scheindiskussion», sagte Gabriel am Montag in Berlin. «Wir brauchen keine neuen Einrichtungen, sondern müssen das machen, was wir verabredet haben.» Die von der SPD favorisierten Einreisezentren zur Registrierung und Weiterverteilung von Flüchtlingen würden auf bestehenden Strukturen aufsetzen.

«Wir sind außerordentlich unzufrieden darüber, dass das eigentliche Kernproblem, nämlich die Verfahrensbeschleunigung bei Asylantragstellern im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (...) nicht besser wird», sagte Gabriel. Der Bund müsse die zugesagten 40 000 Plätze für Erstaufnahmeeinrichtungen tatsächlich zur Verfügung stellen. Nötig seien schnellere Verfahren sowie Anstrengungen für die Bildung, Sprachausbildung, Arbeitsmarktintegration und für mehr Wohnungsbau für Flüchtlinge.

Update 14.40 Uhr: LINKE kritisiert Koalitionstreffen als «Gipfel der Unfähigkeit»
Katina Schubert aus dem geschäftsführenden Parteivorstand der LINKEN bezeichnete das Koalitionstreffen zur Flüchtlingspolitik als «Gipfel der Unfähigkeit». Die sogenannten Transitzonen seien «nichts als grenznahe Haftlager» und die geplante Einschränkung des Familiennachzugs sei ein Angriff auf das Grundgesetz: Keine dieser Maßnahme bekämpft Fluchtursachen, stattdessen stehen sie für Abschreckung und Abwehr, als wolle die Union selbst Fluchtursache werden.«, erklärte Schubert.

Sie verwies darauf, dass zeitgleich zu dem gescheiterten Treffen der rechte Mob tobte: »Und das alles an einem Wochenende, an dem wieder Flüchtlingsunterkünfte angezündet wurden und rechtsextreme Banden Flüchtlinge überfallen und zusammengeschlagen haben.« Der Union warf Schubert vor, mit ihrer Politik Rechtsradikalen und der AfD Steilvorlagen zu liefern.

Update 13.25 Uhr: Simone Peter: Transitzonen »Schikane« und keine Problemlösung
Grünen-Chefin Simone Peter hat Union und SPD mangelnde Entschlussfähigkeit in der Asylpolitik vorgeworfen. »Es gibt keine wirkliche Linie, sondern es gibt weitere symbolhafte Vorschläge«, sagte Peter am Montag im ARD-»Morgenmagazin«. Der Unions-Vorschlag, Transitzonen in Grenznähe zu errichten, sei eine weitere Schikane.

»Ich setze sehr darauf, dass die SPD als Koalitionspartner jetzt deutlich macht: Transitzonen im rechtsfreien Raum lösen überhaupt kein Problem«, betonte Peter in einem n-tv-Interview. Der Vorschlag der Union würde die Lage für die Flüchtlinge weiter verschärfen. Auch die SPD-Forderung, dezentrale Einreisezentren zu errichten, sei nicht durchdacht. Dafür würde das Personal fehlen.

Update 13.20 Uhr: Fahimi sieht Seehofer als »Verlierer«
Die SPD weist Vorwürfe aus der CSU zurück, die Sozialdemokraten würden mit ihrem Nein zu Transitzonen die Regierung blockieren. »Die SPD lässt sich nicht erpressen«, sagte Generalsekretärin Yasmin Fahimi am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Sie ergänzte, der große Verlierer vom Sonntag sei CSU-Chef Horst Seehofer. »Haftzonen sind ein Symbolthema, um das Seehofer-Problem zu lösen. Dieses fadenscheinige Spielchen machen wir nicht mit.« Die von der SPD vorgeschlagenen Einreisezentren könnten die Registrierung der Flüchtlinge sichern sowie die Verfahren und die Rückführungen beschleunigen.

Update 13.15 Uhr: Friedrich fordert Europäische »Grenzschutzkonferenz« zur Abschottung
Nach dem gescheiterten Koalitionsgipfel zur Flüchtlingspolitik übt Hans-Peter Friedrich scharfe Kritik an den Sozialdemokraten. »Wenn die SPD noch einen Funken Verantwortungsgefühl hat, muss sie dem Vorschlag der Transitzonen zustimmen«, sagte der stellvertretende Unionsfraktionsvize im phoenix-Interview mit Blick auf das nächste Krisentreffen am Donnerstag. »Die SPD bewegt sich am Rande der Regierungsfähigkeit«, meinte der CSU-Politiker weiter. Regieren heiße nicht nur durchs Land zu ziehen und das Geld der Steuerzahler zu verteilen, sondern auch in schwierigen Zeiten schwierige, verantwortungsvolle Beschlüsse mitzutragen.

Darüber hinaus bekräftigte Friedrich seine Forderung nach einer Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen sowie langfristig einer Sicherung der Außengrenzen. »Ich erwarte, dass man schnell eine europäische Grenzschutzkonferenz ins Leben ruft«, forderte er.

Update 13.10 Uhr: Österreich begrüßt gemeinsames Grenzzentrum für Polizeiarbeit
Österreich hat zurückhaltend auf die deutsche Diskussion über grenznahe Transitzonen für Flüchtlinge reagiert. »Es gilt abzuwarten, wie dieses Konzept der Transitzonen ausgestaltet ist«, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) am Montag. Die Regierung in Wien plant demnach vorerst keine derartigen Einrichtungen an der Grenze zu Slowenien.

Union und SPD einigten sich am Wochenende darauf, an der Grenze ein gemeinsames Zentrum der Polizeiarbeit mit Österreich einzurichten und gemeinsame Streifen loszuschicken.

Mikl-Leitner befürwortete diesen Vorstoß. »Um die Grenzregionen zu entlasten und die Flüchtlingsbewegungen geordnet und auf humanitäre Art und Weise zu bewältigen, sind die Einrichtung eines gemeinsamen Zentrums der Polizeizusammenarbeit und gemeinsame Polizeistreifen entlang der Grünen Grenze zu begrüßen«, sagte sie am Sonntagabend.

Update 12.45 Uhr: Seehofer »für den Moment zufrieden« über Unionskompromiss
CSU-Chef Horst Seehofer hat den Unions-Kompromiss zur Flüchtlingspolitik als wichtigen Schritt gelobt - dem aber noch weitere folgen müssten. »Für den Moment bin ich zufrieden, aber wir haben noch ein gehöriges Stück Arbeit vor uns«, sagte Seehofer am Montag vor einer CSU-Vorstandssitzung in München. Er hob insbesondere hervor, dass sich CDU und CSU nun gemeinsam auf das Ziel verständigt hätten, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren. »Wir sind zu einer klaren Vereinbarung gekommen, schriftlich niedergelegt, dass die Flüchtlingszahlen zu reduzieren sind - das ist der Maßstab.«

Im Streit über die Transitzonen rief Seehofer die SPD zum Einlenken auf. Diese gehörten zum Wichtigsten, was jetzt geschehen müsse. Die Kritik der Sozialdemokraten, bei den Transitzonen handle es sich um Haftzonen, wies Seehofer als »Unwahrheit« zurück. Das habe auch das Bundesverfassungsgericht klargestellt. Wer in eine Transitzone komme, sei »völlig frei, sich zurückzubewegen in sein Heimatland oder woandershin - nur die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland kann erst erfolgen nach Durchführung des Verfahrens«. Ein Land müsse selbst entscheiden können, wer einreisen dürfe und wer nicht.

Für »Notwehr«-Maßnahmen, wie Seehofer sie wiederholt angedroht hatte, sieht er nach eigenem Bekunden nunmehr keinen Anlass. Es sei zwar nichts vom Tisch, CSU und bayerische Staatsregierung hätten sich sehr sorgfältig auf alle Eventualitäten vorbereitet. »Natürlich beobachten wir jetzt den weiteren Gang der Dinge, und wir haben das nicht umsonst vorbereitet, falls es notwendig sein sollte.« Im Moment erscheine ihm diese Notwendigkeit aber nicht gegeben, betonte er.

Update 9.55 Uhr: Niedersachsen will Strafbarkeit für Grenzübertritt abschaffen
Das Land Niedersachsen plädiert dafür, die Strafbarkeit des unerlaubten Grenzübertritts von Flüchtlingen abzuschaffen. Niedersachsens Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) kündigte im Gespräch mit der »Hannoverschen Allgemeinen Zeitung« (Montagsausgabe) eine entsprechende Bundesratsinitiative an. »Es ist doch ein Wahnsinn, jetzt für jeden Flüchtling ein Ermittlungsverfahren einleiten zu müssen«, sagte die Ministerin der Zeitung.

»Die Polizei hat in ihrer gegenwärtigen Belastungssituation Wichtigeres zu tun, als Strafverfahren einleiten zu müssen, nur um sie später wieder einzustellen«, sagte Niewisch-Lennartz: »Da wird ein bürokratisches Feld geschaffen, das zu wirklich gar nichts führt.« Es wäre sinnvoller, den jeweiligen Grenzübertritt als Ordnungswidrigkeit zu betrachten.

Update 9.20 Uhr: Flüchtlingsbeauftragte kritisiert Transitzonen als Inhaftierungslager
Im Koalitionsstreit um Transitzonen hat die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), schwere Vorwürfe gegen die Union erhoben. Die Unionsparteien arbeiteten bei ihrer Forderung nach Transitzonen mit »unsäglichen Symbolen« und »Nebelkerzen«, kritisierte Özoguz, die auch stellvertretende SPD-Vorsitzende ist, am Montag in Berlin. »Transitzonen wie sie im Papier der Unionsparteien vorgeschlagen werden, können nur funktionieren, wenn man Tausende Menschen dort festhält, also inhaftiert«, erklärte Özoguz. Praktisch sei das gar nicht anders denkbar als »riesige Lager, in denen ganze Familien, Männer, Frauen und Kinder eingesperrt werden«, sagte die Staatsministerin.

Einer Begrenzung des Flüchtlingszuzugs stellte sich die Migrationsbeauftragte nicht grundsätzlich entgegen. »Niemand bestreitet, dass wir auf Dauer nicht so viele Flüchtlinge tagtäglich aufnehmen können«, erklärte sie. Um dieses Ziel zu erreichen, müsse nun auf vielen Feldern parallel gearbeitet werden - »an einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik der EU, an der Situation der Lager in der Region, hauptsächlich in Jordanien und der Türkei, an geordneten Verfahren bei uns«.

Koalition streitet über Massenhaftanstalten für Flüchtlinge

Frankfurt a.M. In der Koalition zeichnet sich weiter keine Einigung in der Asylpolitik ab. Nach ergebnislosen Beratungen am Wochenende forderte die Chefin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, die SPD auf, der Einrichtung von Transitzonen an den deutschen Grenzen zuzustimmen. CDU und CSU hatten sich am Sonntag auf ein gemeinsames Papier geeinigt, indem die Einrichtung der Transitzonen als »vordringlichste Maßnahme zur besseren Kontrolle unserer Grenze« bezeichnet wird. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner nannte die Pläne absurd und warf den Union Stimmungsmache vor.

Hasselfeldt sagte am Montag im Deutschlandfunk: »Die SPD muss sich jetzt mal bewegen.« Das in den Transitzonen vorgesehene Verfahren sei gedeckt durch eine EU-Richtlinie. Entgegen der Darstellung der SPD würden keine Haftanstalten errichtet. Der innenpolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Stephan Mayer (CSU), sagte am Montag im ARD-»Morgenmagazin«, die SPD solle ihre »Bockigkeit« aufgeben und für einen gemeinsamen Konsens in der Bundesregierung offen sein.

Stegner entgegnete im Deutschlandfunk, jedem sei klar, dass das Verfahren der Transitzonen bei Hunderten von Kilometern grüner Grenze nicht funktionieren könne. Was an Flughäfen für ganz wenige Menschen mit beschleunigten Asylverfahren funktioniere, könne nicht auf Landgrenzen übertragen werden. De facto müssten in den Transitzonen Haftbedingungen herrschen, sagte Stegner, der die Union aufforderte, sich mit dem SPD-Vorschlag von Einreisezentren zu befassen.

Gabriel schlägt Einreisezentren vor

SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte die Einrichtung von Einreisezentren in jedem Bundesland am Wochenende vorgeschlagen. Die Registrierung von Asylsuchenden solle künftig ausschließlich dort erfolgen. Anschließend müssten die Flüchtlinge in den Zentren auf ihre Weiterverteilung warten. Über offenbar aussichtslose Anträge könne direkt in den Einreisezentren entschieden werden. Diese Erwartung hat die Union auch an die Transitzonen. CDU und CSU wollen solche Zonen für schnelle Asyl-Verfahren und Abschiebungen unmittelbar an den Landesgrenzen errichten, die SPD hält das für juristisch fragwürdig. Für Donnerstag ist ein weiteres Treffen der Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD) geplant.

SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel sprach im Zusammenhang mit den von den Unionsparteien geforderten Transitzonen in der »Passauer Neuen Presse« (Montagsausgabe) von einer »Schikane« gegen Flüchtlinge. »Die SPD hat mit den Einreisezentren einen pragmatischen Vorschlag gemacht, wie die Registrierung verbessert und die Verfahren beschleunigt werden können«, sagte der hessische SPD-Chef Schäfer-Gümbel. Die Einreisezentren könnten sofort umgesetzt werden, wenn die Union endlich mitmache und sich »nicht an Symbol- und Scheindebatten« klammere.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Hubertus Heil, sagte im ARD-»Morgenmagazin«, in der Koalition müsse jetzt darüber geredet werden, wie es zu vernünftigen Lösungen und nicht zur Symbolpolitik kommt. Schuldzuweisungen müssten aufhören. nd/Agenturen

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.