Los geht’s mit fettem Herrscher
Das Spiel auf dem »Märchenberg« an der Schönhauser Allee beginnt
Es trug sich zu, dass in Berlins Mitte Grimms Märchenfiguren, die vor vielen Jahren als erste dort ihre Geschichte erzählten, zum Ende des Sommers unruhig wurden, als sie an den kommenden Winter dachten. Hänsel und Gretel, das tapfere Schneiderlein, Aschenbrödel, selbst deren zickige Schwestern wollten nicht länger bleiben. So machten sie sich auf die Socken mit dem, was sie auf dem Leibe trugen - und ihrem Schicksal. Der berühmte Kater folgte ohne Stiefel. Julia, Romeo und andere Shakespearsche Figuren schlossen sich an.
In der Tat trennten sich hier künstlerische Wege. Die Schauspieler, die in den 1990er Jahren das Hexenkessel Hoftheater gegründet hatten, verabschiedeten sich vom Spielort Monbijoupark, wanderten nach Prenzlauer Berg und kamen dort an, wo sie als Ensemble auf einem Hof begonnen hatten: an der Schönhauser Allee. Sie erklommen den Pfefferberg und wurden freundlich aufgenommen. Im Pfefferberg Theater mit 200 Plätzen besiedeln sie nun den neuen »Märchenberg«. Zunächst bis Ende Januar zeigen sie 18 von Jan Zimmermann inszenierte Märchen für Kinder und Erwachsene. Bis zu 15 Schauspieler sind dabei - unter ihnen Vlad Chiriac, Ina Gercke, Torsten Schnier, Michael Schwager, Claudia Graue, Andreas Köhler, Anne Welenc und Carsta Zimmermann. Insgesamt engagieren sich auf und hinter der Bühne 25 Unermüdliche. Sich engagieren ist richtig. Denn neu begonnen haben die Theaterleute allein mit dem, was sie können. Kostümlos habe sich die Frage nach der ersten neuen Inszenierung gestellt. Da sei die Idee von »Des Kaisers neuen Kleidern« gerade recht gekommen. Das ist natürlich ein Scherz von Roger Jahnke, Mitbegründer der »alten Truppe«, Produktionsleiter und Schauspieler. Er und die anderen erzählen bewegt von der Hilfe, die sie von allen Seiten bekamen, damit sie mit der Arbeit beginnen konnten. Nahezu rund um die Uhr wurde geprobt. Immerhin gibt es gleich zwei Premieren. Und Profis hin, Profis her - die Anspannung ist groß. Regisseur Zimmermann und die Schauspieler müssen sich auf der großen Bühne räumlich neu orientieren. Doch das schaffen sie, waren doch ihre Shakespeare-Aufführungen auch räumlich großzügig angelegt.
Kinder zuerst: Nach einem »Aufwärmabend« am 13. November ab 19 Uhr gilt die erste Premiere am 14., 16.30 Uhr, jungen Zuschauern mit »Des Kaisers neue Kleider« von Hans Christian Andersen. Ein herrlicher Spaß, bei dem es darum geht, dass zwei fahrende Musiker mit ihrer Gaunerei nicht in den »kaiserlichen Kerkerlichkeiten« landen. Als fetter Herrscher aufgepolstert, ließ Carsta Zimmermann bei der Probe Folgendes vernehmen: »In diesem Jahr brauche ich mir keine Sorgen um meine Figur zu machen.«
Um die Abendpremiere herrschte Geheimnistuerei. »Es war zweimal. Das Märchen von Hinz und Kunz« soll es sein. Keine Sorge. In Abwandlung eines gerappten Ohrwurms im Kinderstück lässt sich locker sagen: Manche meinen, dass sie etwas können, und sind froh. Die hier tun nicht nur so.
Märchenberg, Pfefferberg Theater, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg, www.märchenberg.de
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