»Ich bin kein Nazi, ich sage nur Nazi-Sachen«

Rechtsradikal äußern sich viele, Rechtsradikale gibt's aber keine? Dumm ist, wer Dummes tut.

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 3 Min.

In Deutschland leben keine Nazis. Lediglich besorgte Bürger, die sich mal im Ton vergreifen. Eben aus Sorge. Oder daraus resultierender Hilflosigkeit. Und Wut. Das passiert oft, dieses im-Ton-vergreifen. Ein ganz besonderes Exemplar eines tonunsensiblen besorgten Politikers aus Bayern hat sich am Donnerstag auf Facebook geäußert.

»Ich bin ein Nazi und das sehr gerne, und zwar so: Nicht An Zuwanderung Interessiert«, hatte Gerhard-Michael Welter, Schatzmeister des CSU-Ortsverbandes Moosburg im Landkreis Freising (Oberbayern), auf seiner privaten Facebook-Seite geschrieben. Daraufhin gab es ordentlichen Ärger. Welter löscht den Post. Seither ist nichts von dem Möchtegern-Nazi zu hören.

Aber natürlich ist Welter kein Rechtsradikaler. Das versicherte umgehend dessen Parteikollege und CSU-Ortsvorsitzender Florian Bichlmeier. Schließlich engagiere sich Welter seit Jahren für die Integration von Flüchtlingen. Bestimmt sei der Post einfach aus Wut darüber entstanden, »fälschlicherweise« immer wieder in die rechte Ecke gerückt zu werden.

Das geht vielen so. Sie werden da einfach reingerückt, in diese Ecke. Zum Beispiel Jürgen Mannke, der Philologenverbandschef Sachsen-Anhalt. Er schrieb von einer »Immigranteninvasion« und fragte, wie junge Mädchen vor muslimischen Männern gewarnt werden könnten. Für diesen Text muss er jedoch keine Disziplinarmaßnahmen fürchten. Schließlich habe sich Mannke in einem Gespräch im Kultusministerium von den Äußerungen distanziert und glaubhaft versichert, sich für seine Formulierungen zu schämen. Er hat also nur rassistisch geschrieben. Als Person selbst ist Mannke kein Rassist. Sonst würde er sich ja nicht schämen.

Diese Schizophrenie gilt auch für Pegida. Ob die sich rassistisch und teils offen rechtsradikal äußernden Demonstranten als Rechtsradikale benannt werden dürfen, ist eine große Debatte. Nach über einem Jahr machte Sigmar Gabriel diesen Schritt und erntete Kritik aus den Reihen der CDU und CSU. Da ist man nämlich immer noch der Meinung, dass man für die besorgten Menschen Verständnis aufbringen müsse. Und mit ihnen reden müsste.

Hat das schonmal jemand getan? Erfahrungsgemäß kommt man da nicht besonders weit. Das stellt auch Sascha Lobo in seine Spiegel Online-Kolumne fest, und benennt drei Phänomene als Problem: Erstens ist der Rechtsradikale aka. besorgte Bürger nicht am Gespräch interessiert, sondern es geht »um Signale der Zusammengehörigkeit an Gleichgesinnte«. Zweitens geht es um Selbstvergewisserung der Gruppe, jeder Zweifel wird brachial abgelehnt – und drittens wird empört gegen die »Nazikeule« gewettert.

Die Nazikeule bezeichnet Lobo als »Arschgeweih« der Rechtspopulisten. Damit drehen Rechte das Täter-Opfer-Verhältnis gerne um: Nicht sie sind als rassistische Hetzer gegen Flüchtlinge die Täter, sondern die Täter sind all jene, die sie als Rechtsradikale diffamieren – sodass sie zu ihren Opfern werden. Diese Umkehr ist ein beliebtes Motiv unter Rechtsradikalen. Pegida-Chef Bachmann verglich Justizminister Maas mit NS-Propagandaschef Goebbels, seine medial stark kritisierte Bewegung sieht sich als Opfer der »Lügenpresse«. Mittels dieser umgekehrten Nazikeule wollen sich die Rechten vom Rechtsradikalen-Vorwurf befreien.

Das »in die rechte Ecke stellen« ist Lobo zufolge das »kleine Geschwisterkind der Nazikeule«. Die Grundfunktion dieses Arschgeweih-Geschwisterpaares: Man wird doch wohl noch rechtsradikale Positionen äußern dürfen, ohne gleich als rechtsradikal bezeichnet zu werden!

Sascha Lobo hat als Entgegnung für eben diese Äußerungs-Nazis eine passende, ewige Weisheit der Mutter Forrest Gumps herausgekramt. Dumm ist, wer Dummes tut. Und gehört in die Ecke gestellt. mit Agenturen

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