Mehr Sicherheit kostet
Hamburger Hafen sieht keine Auswirkungen des Pariser Anschlags auf den Welthandel
Dritter Weltkrieg? »Das halte ich für sehr übertrieben.« Gelassen reagiert Ingo Egloff, Vorstand der Marketing-Gesellschaft des Hamburger Hafens, auf die Schlagzeile der Wirtschaftszeitung »Handelsblatt«. Die Schockwellen der Anschläge in Paris werden allerdings auch in Hamburg gespürt. »Eine akute Bedrohung« durch den internationalen Terrorismus für den Welthandel im Allgemeinen und den Hamburger Hafen im Besonderen sieht Egloff im Moment jedoch nicht.
Der Werber für Deutschlands größten Hafen erwartet, dass sich die westlichen Länder, Russland und China nun gemeinsam Gedanken machen, wie sie auf diese Herausforderung reagieren. Egloff mahnt: »Jede Einschränkung von Handelsbeziehungen hat natürlich Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung.« Was Hamburg wie auch die Logistikindustrie in ganz Deutschland hart treffen könnte. »Da wir ein Außenhandelsstandort sind, würden wir das natürlich als erstes merken.«
»Ich sehe durchaus die Bedrohung«, sagte Egloff am Rande der Bilanzpressekonferenz am Montag. Stärkere Kontrollen in den Häfen, die zu einem bedeutenden Kostenfaktor für den globalen Schiffsverkehr würden, seien aber nicht in Sicht: »Wir haben nach 9/11 erhebliche Sicherheitsvorkehrungen schon treffen müssen.« Deswegen sei in Hamburg der Freihafen abgeschafft worden, und der Druck aus den Vereinigten Staaten sorgte dafür, dass jedes einzelne Terminal gesichert ist. Gleiches gilt für alle europäischen Häfen. Ohne US-Sicherheitsstandard sind Geschäfte mit den USA unmöglich. »Und deswegen kommen sie«, gemeint sind mögliche Attentäter, »in die einzelnen Terminalbereiche überhaupt nicht rein«, erwartet Egloff. »Von daher sehe ich da jetzt keine höheren Sicherheitsanforderungen.«
Mehr Sicherheit gäbe es nicht umsonst: Stärkere Kontrollen an den innereuropäischen Grenzen könnten auch den freien Warenverkehr in der Europäischen Union treffen. »Das würde sich natürlich behindernd auswirken«, so der SPD-Mann. »Zumal wir als Hamburger Hafen ja bis weit ins europäische Binnenland hinein Verkehrsbeziehungen haben.« Aber das müsse man abwarten.
Gelassen bleiben auch andere Außenhandelsanalysten. Den Terroristen werde es nicht gelingen, die wirtschaftlichen Fundamente des Westens zu beschädigen. »So haben selbst die Anschläge vom 11. September die US-Konjunktur kaum belastet«, schreibt Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank. Auch der Welthandel habe 2001 nicht darunter gelitten, dass viele Staaten ihre Grenzkontrollen verschärft hätten.
Allerdings gilt die Weltwirtschaft heute als labiler. Die Zeiten üppiger Wachstumsraten scheinen nicht allein in China vorbei zu sein. Außerdem wurde der jahrzehntelange Boom der preisgünstigen maritimen Wirtschaft angetrieben von der Gier der Konsumenten nach superniedrigen Billigpreisen. Doch Sicherheit ist teuer und könnte zu einer Umleitung der globalen Warenströme führen. Die seit 2001 ungezügelt ausgebauten, zeitlich eng getakteten Logistikketten sind anfällig für terroristische Störungen. Als Nadelöhr gilt zudem die »Straße von Malakka«. Durch die südostasiatische Meerenge strömt etwa ein Drittel des Welthandels. Ein von Terroristen versenkter Öltanker könnte den Verkehr mit China auf Monate lähmen.
Schon jetzt leidet der Hamburger Hafen unter seiner extremen Abhängigkeit vom Geschäft mit China, dem mit weitem Abstand wichtigsten Handelspartner. Jeder dritte Container wird im Verkehr mit dem Reich der Mitte bewegt. Dessen niedrigere Wachstumsraten 2015 - Hafen-Vorstand Axel Mattern sprach nach seiner Pekingreise am Montag von »Normalisierung« - führten zum Einbruch des gesamten Containerumschlags an der Elbe von Januar bis September um 9,2 Prozent. Im dritten Quartal fiel der Containerumschlag dramatisch um 13,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Wohl der größte Verlust des Hamburger Hafens innerhalb von drei Monaten seit der Finanzkrise.
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