Von Heiligendamm in den Bayerischen Wald

Nach den Pariser Terrorangriffen werden alte sicherheitspolitische Forderungen laut - etwa Bundeswehreinsätze im Inneren und ausgeweitete Vorratsdatenspeicherung

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Sind Gesetzesverschärfungen die richtige Antwort auf den Terrorismus? Bekannte Reflexe werden sichtbar - es gibt aber auch Kritik.

Wenige Tage nach den furchtbaren Terrorangriffen in Paris beginnen nun die innenpolitischen Debatten über näher- und fernerliegende innenpolitische Konsequenzen. Nicht nur in Frankreich, wo Regierungschef Manuel Valls am Dienstagmorgen das sich abzeichnende Verfehlen der EU-Staatsdefizitgrenze von drei Prozent mit notwendigerweise steigenden Aufwendungen für Sicherheit begründete: Mehr als 16 000 zusätzliche Stellen bei Polizei, Militär, Justiz und Zoll sollen über die kommenden vier Jahre geschaffen werden.

Auch in Deutschland werden die Geheimdienste ausgebaut. Der in Skandale verwickelte Auslandsgeheimdienst BND soll 225 Stellen mehr bekommen, davon seien 125 für die Terrorismusaufklärung vorgesehen. Der Inlandsgeheimdienst Bundesamt für Verfassungsschutz soll 250 zusätzliche Stellen erhalten, wie zu Wochenanfang bekannt wurde.

In die Diskussion bringt nun zumindest die CDU einen verfassungsrechtlichen Grenzfall: Einsätze der Bundeswehr im Inneren des Landes. Beim »Kampf gegen den Terror« müssten »zum Schutz unserer Bürger in Deutschland alle Sicherheitskräfte zusammenarbeiten und alle verfügbaren Mittel in Betracht gezogen werden«, erklärt Henning Otte, der verteidigungspolitische Sprecher von CDU und CSU. »Wenn unsere Bundeswehr helfen kann, so sollte dies im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen geprüft werden«, erklärte der Politiker am Dienstag. In der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (NOZ) sagte er, die Truppe könne zur Sicherung der Staatsgrenzen eingesetzt werden: »Was in Heiligendamm ging, muss auch im Bayrischen Wald möglich sein.«

Bereits beim G 8-Gipfel im mecklenburg-vorpommerschen Heiligendamm 2007 waren Bundeswehreinheiten eingesetzt. Eine daraufhin angestrengte Verfassungsklage hatte keinen Erfolg, die Voraussetzungen bleiben auslegungsfähig. Prinzipiell ist das nur im Spannungs- oder Verteidigungsfall erlaubt. Es gibt aber eine Ausnahme: Zur »Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes« können Soldaten im Inneren eingesetzt werden, sollte die Polizei überfordert sein. Sind also die Flüchtlinge eine Gefahr für die Ordnung der Bundesrepublik?Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), wandte sich gleichfalls in der NOZ gegen diesen Vorstoß: »Das kann - außer im Fall des inneren Notstands - nicht Aufgabe der Bundeswehr sein«.

Wenig Resonanz scheint bisher die Forderung nach einer Ausweitung der erst im November im Bundesrat beschlossenen und weiterhin umstrittenen Vorratsdatenspeicherung zu erfahren, die seitens der Gewerkschaft der Polizei erhoben wird. Der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hält dem in einer Stellungnahme entgegen, dass eine Ausweitung solcher Kompetenzen sogar kontraproduktiv sein könne, »weil durch die Registrierung und Überwachung völlig Unverdächtiger in großem Umfang Ressourcen gebunden« würden, die »bei der gezielten Bekämpfung« und Überwachung terroristischer Aktivitäten »besser investiert« wären.

Zudem ist es zweifelhaft, inwieweit sich terroristische Kommunikation so überhaupt überwachen lässt. Belgiens Innenminister Jan Jambon hatte noch vor den Pariser Angriffen auf ganz neue Kanäle hingewiesen: So könnten etwa interaktive Computerspiele, in denen Teilnehmer Spielfiguren individuell steuern, auch zur Verständigung dienen, indem sich diese Figuren ohne direkte Kommunikation Zeichen geben.

Zugleich wurden auch Stimmen laut, die sich allgemein gegen Forderungen nach Gesetzesverschärfungen richten. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) stellte Erfolge bei der Terrorismusbekämpfung in Deutschland heraus. Im »Morgenmagazin« der ARD sagte er am Dienstag: »Die Gesetze, die wir haben, sind gut. Sie reichen aus, damit der Staat handlungsfähig ist.«

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