PR-Show für Moorburg
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz eröffnet offiziell das seit Monaten laufende Kohlekraftwerk
Während Großbritannien am Mittwoch ankündigte, seine Kohlekraftwerke in den kommenden Jahren Schritt für Schritt vom Netz zu nehmen, hat sich die ehemalige Umwelthauptstadt Hamburg von ihren Klimaschutzvorhaben verabschiedet: Der korrigierte Klimaplan wird keine CO2-Reduktions-Ziele bis 2020 mehr enthalten. Am Donnerstag wird Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) diese Tatsache mit der offiziellen Eröffnung des Kohlekraftwerks Moorburg besiegeln. Ein rein formaler Akt: Es schon seit Monaten in Betrieb.
Bereits im Februar hatte Block B die Produktion aufgenommen, im August folgte Block A. Im Vollbetrieb können sie zusammen rund 1600 Megawatt Stromleistung bringen und damit »den Strombedarf Hamburgs nahezu vollständig decken«, verkündete Betreiber Vattenfall. Zurzeit ist Moorburg gerade einmal zur Hälfte ausgelastet. »Als einziges Großkraftwerk im Norden ist es für die sichere Grundlast in Hamburg und Norddeutschland langfristig erforderlich, da Brokdorf 2021 vom Netz geht«, verteidigt Pieter Wasmuth, der Chef des Konzerns für den Norden, sein Monsterkraftwerk, das von vielen Bürgern der Hansestadt nur »die Dreckschleuder« genannt wird.
Der Knopfdruck , den Scholz bei der feierlichen Einweihung symbolisch vornehmen wird, alarmiert Kritiker: Die Anlage wird mit einem gigantischen CO2-Ausstoß von rund 8,5 Millionen Tonnen jährlich und bei einer Laufzeit von vier Dekaden Klimafolgekosten von 70 Milliarden Euro verursachen, haben Experten errechnet.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND)Hamburg hatte bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung für Moorburg 2007 ein Gutachten beim IFEU-Institut in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Das Großprojekt ist erheblich klimaschädlicher und unwirtschaftlicher als andere Lösungen. »Die Investitionssumme von mehr als drei Milliarden Euro hätte sehr viel besser für den Ausbau der erneuerbaren Energien eingesetzt werden können«, kommentierte Landesgeschäftsführer Manfred Braasch.
Die rund zehnjährige Planungs- und Bauzeit war von zähen politischen Auseinandersetzungen begleitet. Nachdem Vattenfall 2004 sein Vorhaben bekannt gegeben hatte, überredete der damalige CDU-Senat den Konzern, das Kraftwerk doppelt so groß wie vorgesehen zu bauen. Trotz heftiger Proteste erteilte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) im November 2007 die Genehmigung zum vorzeitigen Baubeginn. Mit der Ankündigung, Moorburg zu verhindern, punkteten die Hamburger Grünen im Wahlkampf und rangen ihrer Parteibasis anschließend die Zustimmung zu Koalitionsverhandlungen mit der CDU ab. Einmal in der Regierung konnten die Grünen ihr Versprechen, wie erwartet, nicht nur nicht einlösen - ihre Umweltsenatorin Anja Hajduk winkte den Bau einer Fernwärmetrasse gar mit einem umstrittenen vereinfachten Genehmigungsverfahren durch. Das lange Tauziehen um umweltrechtliche Hürden im immissions- und wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren, Androhungen des Konzerns auf Schadensersatzklagen endete 2010 mit einem Vergleich. 2011 legte Olaf Scholz den Streit endgültig bei.
Die Fraktion der LINKEN in der Hamburgischen Bürgerschaft hält das Steinkohlekraftwerk für einen »Rückschritt« und kritisiert die »blassrot-grüne Regierungskoalition« für ihren »Kniefall« vor dem Energiekonzern. Moorburg sei das »Symbol für das Scheitern der Grünen und der SPD im Kampf um die Klimaziele«, erklärte ihr umweltpolitischer Sprecher Stephan Jersch gegenüber »nd«.
Als Provokation empfinden Moorburggegner die Terminwahl: Unmittelbar vor dem Weltklimagipfel in Paris sei das »eine Frechheit«, meint Manfred Braasch. Der BUND kündigte Proteste an.
Kritik von Seiten der Umweltschützer gab es auch für Großbritannien: Das Land will statt Kohle verstärkt in Gas- und Atomkraftwerke investieren.
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