Höchste Terrorwarnstufe in Brüssel

Öffentliche Gebäude geschlossen, Sportereignisse abgesagt: Behörden sprechen von »ernster und unmittelbarer« Bedrohung / U-Bahn-Verkehr in der belgischen Hauptstadt Brüssel eingestellt

  • Lesedauer: 4 Min.

Update 13.25Uhr: Öffentliche Gebäude geschlossen, Sportereignisse abgesagt
Wegen der laut Behörden unmittelbar existierenden Terrorgefahr kommt das öffentliche Leben in Brüssel mehr und mehr zum Erliegen. Öffentliche Gebäude, Einkaufszentren und Märkte sollten geschlossen und Sportereignisse abgesagt werden, sagte der Ministerpräsident der Brüsseler Hauptstadtregion, Rudi Vervoort, am Samstag in Brüssel. In der Brüsseler Innenstadt ließen viele große Geschäfte am Mittag die Rollläden herunter, die Einkaufsstraßen leerten sich.

Die U-Bahn fährt bereits seit dem frühen Morgen nicht mehr und wird bis Sonntagnachmittag 15 Uhr stillstehen. Das teilte der Verkehrsbetreiber Stib auf seiner Webseite mit und sprach von einer »Vorsichtsmaßnahme«. Vervoort sagte: »Ein Risiko von Null gibt es nicht, aber wir können alles tun, was in unserer Macht steht, um die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten.«

Nach Ausrufung der höchsten Terrorwarnstufe sind alle für dieses Wochenende angesetzten Fußball-Spiele in der Hauptstadtregion Brüssel abgesagt worden. Dies habe das Provinzkomitee Brabant am Samstag entschieden, teilte der belgische Fußball-Verband KBVB am Samstagmittag mit. Betroffen ist auch das Erstliga-Topspiel zwischen dem KSC Lokeren und dem RSC Anderlecht. Grund für die Absage sei, »dass die Sicherheit nicht garantiert werden kann«, heißt es auf der Homepage des gastgebenden Vereins. Alle anderen Erstligaspiele sollen allerdings wie geplant stattfinden.

Höchste Terrorwarnstufe in Brüssel

Berlin. Die belgischen Behörden haben für die Hauptstadtregion Brüssel die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen. Die ausgerufene Stufe 4 bedeutet »eine ernste und unmittelbare« Bedrohung, wie das nationale Krisenzentrum in der Nacht zu Samstag mitteilte. Den Bewohnern der Region wurde geraten, größere Menschenansammlungen wie etwa bei Konzerten oder anderen Veranstaltungen zu meiden.

Der U-Bahn-Verkehr in der belgischen Hauptstadt Brüssel wurde am Samstag komplett eingestellt. Die Metro habe am Morgen nicht geöffnet, sagte die Sprecherin des Verkehrsbetreibers STIB, Françoise Ledune, im belgischen Radio RTBF. »Die Metro bleibt geschlossen bis zum Ende des Betriebs.« Danach werde mit den Behörden entschieden, ob auch am Sonntag keine Metros verkehren. Dagegen fuhren am Samstagmorgen die meisten Busse und Straßenbahnen in Brüssel, auch der Flugverkehr lief normal.

Vorangegangen sei eine »neue Beurteilung« der Lage. Die Hintergründe blieben zunächst unklar. Im Rest Belgiens gilt den Angaben zufolge weiterhin die Stufe 3, was einer »möglichen und wahrscheinlichen« Bedrohung entspricht. Die Bedrohungslage erfordere »besondere Sicherheitsmaßnahmen sowie detaillierte Empfehlungen an die Bevölkerung« in Brüssel, wo sich auch der Sitz der EU-Kommission sowie das NATO-Hauptquartier befinden, erklärte das Krisenzentrum, das zum Innenministerium gehört.

Die Anhebung der Terrorwarnstufe erfolgte eine Woche nach den islamistischen Anschlägen von Paris mit 130 Toten, deren Urheber zum Teil im Brüsseler Brennpunktviertel Molenbeek lebten. Nach bisherigen Erkenntnissen wurden die blutigen Anschläge in Paris zum Teil in Belgien geplant und organisiert. Seit den Anschlägen auf eine Konzerthalle, eine Fußballarena und mehrere Cafés und Restaurants wurden in Belgien eine Reihe von Verdächtigen festgenommen, darunter mehrere Angehörige eines der Attentäter. Während einige von ihnen später wieder freigelassen wurden, wurden gegen drei Verdächtige Ermittlungen wegen Terrorvergehen eröffnet.

Am Freitag leitete die Generalstaatsanwaltschaft ein Strafverfahren gegen einen Verdächtigen ein, der am Donnerstag bei einer Razzia in Brüssel festgenommen worden war. Ihm werden Beteiligung an Terroranschlägen und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen. Die beiden Verdächtigen Mohammed Amri und Hamza Attou, die am vergangenen Samstag in Belgien festgenommen worden waren, bleiben zudem weiter in Haft.

Amri und Attou sollen den flüchtigen Verdächtigen Salah Abdeslam nach den Anschlägen mit dem Auto aus Paris abgeholt und nach Brüssel gebracht haben. Abdeslam wird verdächtigt, zu der Gruppe von Attentätern gehört zu haben, die am Freitagabend im Osten der Pariser Innenstadt dutzende Menschen in Cafés und Restaurants erschossen. Neben Salahs Bruder Brahim, der sich in einem Restaurant in die Luft sprengte, gehörte zu dem Kommando offenbar auch Abdelhamid Abaaoud.

Der 28-jährige Belgier, der bei einem Polizeieinsatz am Mittwochmorgen im Pariser Vorort Saint-Denis getötet wurde, wird als mutmaßlicher Drahtzieher der Anschläge gehandelt. Wie die Nachrichtenagentur AFP am Freitag aus Ermittlerkreisen erfuhr, wurden auf einer der Kalaschnikows, die bei dem Angriff auf verwendet wurden, Spuren von Abaaoud gefunden. Zudem wurde er auf Überwachungsvideos im Vorort Montreuil entdeckt, wo der bei den Angriffen benutzte Seat gefunden wurde. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -