Big Business raus aus der Klimapolitik
Belen Balanya fordert, nicht länger mit Lobbyisten der Industrie zu sprechen, die den Planeten zum Kochen bringt
Der Klimagipfel COP21 hat noch nicht einmal begonnen, aber die Schlagzeilen künden bereits von einer »historischen Einigung« und dem »Moment der Wahrheit«. Die Erwartungen an das Treffen in Paris und ein globales Abkommen zum Klimawandel sind hoch. Wie viele andere kann ich diesen Optimismus nicht teilen. Im Gegenteil, ich gehe davon aus, dass zum 21. Mal die Verhandlungen scheitern und bedeutsame Aktionen im Kampf gegen die Klimakrise ausbleiben. Auch der COP21 wird sich vor den Wunschlisten der Industrien verneigen, die die Probleme erst verursachen.
Doch warum handeln die politischen Weltführer nicht? Ein wesentlicher Grund ist, was wir »corporate capture« nennen - wenn also Behörden, die die Interessen der Allgemeinheit vertreten sollen, gekapert werden und die Agenda der Gruppen übernehmen, die den zu regulierenden Sektor dominieren. Das ist die Geschichte der UN-Klimaverhandlungen: Dreckige Energieunternehmen waschen sich rein und fahren massive Lobbykampagnen, um die Gespräche zu untergraben.
Leider ist dieses Vorgehen nicht auf die Vereinten Nationen beschränkt. Selbiges zeigt sich in der Klima- und Energiepolitik auf EU-Ebene. Ausgedehntes Industrielobbying und eine innige Beziehung zwischen dem Big Business und EU-Politikern resultiert in schwachen Regeln, Freiwilligkeit, marktbasierten Ansätzen. Corporate Europe Observatory beschäftigt sich schon lange mit diesem Phänomenen. Seit unserer Gründung 1997 stellen wir einen stetigen Zuwachs von »corporate capture« fest.
Was in Brüssel passiert, ist von extremer Bedeutung für alle EU-Mitgliedsstaaten (und viele weitere Länder). 30 bis 40 Prozent der politischen Entscheidungen und verabschiedeten Regularien haben ihren Ursprung in Brüssel. Und mit zunehmender Wichtigkeit der EU wurde Brüssel ein immer größerer Magnet für Lobbyisten. Lobbytätigkeit ist in der EU-Hauptstadt ein großes Geschäft. Geschätzt werden dafür drei Milliarden Euro eingesetzt. 15 000 bis 50 000 Menschen beeinflussen die Entscheidungsfindung auf EU-Ebene.
Gleichzeitig pflegt die EU einen laxen Umgang mit der Macht der Konzerne. Es wird weder der Zugang der Wirtschaft zu Entscheidern begrenzt noch der Drehtüreffekt zwischen privatem Sektor und den EU-Institutionen angegangen oder einer Politik, die zur Ausbeutung der Menschen und des Planeten führt, die Grundlage entzogen.
Die enge Beziehung zwischen Industrie und Politik offenbart auch unser jüngster Bericht mit dem Titel »Cooking the planet«. Dazu haben wir analysiert, welchen Zugang die großen Energiekonzerne zu Miguel Arias Cañete, EU-Kommissar für Klima und Energie, und zu Maros Šefčovič, Vizepräsident für die Energieunion, sowie zu ihren Kabinetten haben. Die Daten der Kommission zeigen, dass 80 Prozent ihrer Treffen welche mit der Privatwirtschaft waren, zumeist mit den Konzernen, die das »Klima zum Kochen bringen«. Im vergangenen Jahr entfielen drei Viertel der Begegnungen mit der Energieindustrie auf Vertreter von Firmen, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten. Nicht ein einziges Treffen hat mit Firmen der erneuerbaren Energien stattgefunden, lediglich sechs mit Verbänden der Erneuerbaren.
Deutlich wurde auch die Nähe der Kommission zur Autoindustrie, die 2014 mehr als 18 Millionen Euro für EU-Lobbying ausgab. Laut Transparenzregister sind die fünf Top-Zahler in diesem Bereich: Volkswagen, Daimler Benz, der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA), der Europäische Verband der Autobauer (ACEA) und BMW. Der aktuelle VW-Abgasskandal verdeutlicht erneut, wie weit die Konzerne bereit sind zu gehen, um ihre Profite zu sichern.
Um diesen Kurs zu ändern, muss zuallererst der privilegierte Zugang der Wirtschaft in die Politik abgeschnitten werden. Dafür gibt es ein erfolgreiches Vorbild: Eine Kampagne der Zivilgesellschaft und südlicher Regierungen hat dazu geführt, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine »Firewall« zwischen Tabaklobbyisten und Vertretern des Gesundheitswesens installiert hat. Ähnliches könnte in Sachen Klima geschehen: ein Verbot für Mitarbeiter von EU, UN und nationalen Behörden, sich mit Lobbyisten der schmutzigen Energien an einen Tisch zu setzen, um Klima- und Energiepolitik zu diskutieren. Denn warum sollen wir jene, die das Problem verursachen - und davon profitieren - hinzuziehen, um es zu beseitigen?
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