Nach Protest gegen AfD: Mainzer Intendant wird von Neonazis bedroht

AfD-Chef nimmt Angreifer auf ZDF-Reporterin in Schutz / Gauland: Menschen wollen kein »Willkommensfernsehen« / AfD hat vor allem im Osten Anhänger / Verfassungsschutz offen für Beobachtung der Rechtspartei / Höcke will Studie verbrennen

  • Lesedauer: 5 Min.

Update 16.40 Uhr: Neonazis vor Haus des Mainzer Intendanten nach Störung von AfD-Demo
Nach einer Aktion im Mainzer Staatstheater gegen eine Kundgebung der AfD sind vor dem Privathaus des Intendanten Markus Müller seinen Angaben zufolge Neonazis aufgekreuzt. Diese hätten wenige Tage nach der Demo vor dem Haus gestanden. »Da waren vier glatzköpfige Männer und fotografierten das Haus, in dem ich wohne«, sagte er nach einer Mitteilung des SWR vom Freitag in der Talksendung Nachtcafé. »Ich war sehr froh, dass meine Tochter zu diesem Zeitpunkt bei ihrer Mutter war.«

Am vergangenen Samstag hatten sich vor dem Theater etwa 300 Anhänger der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) zu einer Kundgebung versammelt unter dem Motto »Gegen das Asylchaos«. Während der Kundgebung sangen Ensemble-Mitglieder des Theaters Beethovens »Ode an die Freude«. Mittlerweile haben die Polizei und AfD das Staatstheater wegen Störung angezeigt.

»Wir wollten nicht einfach nur das Licht ausmachen, wenn dieser zentrale Platz und unser Gebäude für solch einfache und Angst machenden Parolen missbraucht wird«, sagte Müller. »Wir wollten dem unsere Haltung von Vielfalt, Offenheit und Toleranz entgegensetzen.«

Update 11.45 Uhr: Die AfD radikalisiert sich
Die AfD wird nach Ansicht des Bremer Parteienforschers Lothar Probst radikaler. »Wenn man Björn Höcke und anderen aus der AfD zuhört, dann ist das nicht mehr weit von der NPD entfernt«, sagte der Parteienforscher. Zwar ließen sich Stimmen dadurch gewinnen, wenn Ängste geschürt und das Thema Flüchtlinge emotionalisiert werde. Höcke überziehe jedoch. »Das ist vielen doch zu radikal.«

Mit moderateren Töne hätte die AfD große Erfolgschancen, erläuterte Probst. Zwar wüssten die Menschen, dass die Bundesländer die Zuwanderung nicht steuern könnten. »Aber sie sehen, dass die örtlichen Behörden - die Länder ebenso wie die Kommunen - mit der Bewältigung des Flüchtlingszuzugs teilweise überfordert sind und zu unpopulären Mitteln greifen müssen.«

Die AfD will an diesem Wochenende in Hannover ihren Bundesparteitag abhalten. Dagegen will ein Bündnis protestieren, in dem unter anderem Kirchen, Parteien und Gewerkschaften engagiert sind.

AfD-Chef nimmt Angreifer auf ZDF-Reporterin in Schutz

Am Mittwoch wurde eine ZDF-Reporterin in Cottbus auf einer AfD – Demo tätlich angegriffen. Nun hat sich der stellvertretende Vorsitzende der Rechtsaußenpartei, Alexander Gauland, nach Angaben des Deutschlandfunk persönlich entschuldigt. Gleichzeitig legte Gauland nach und versuchte die Übergriffe mit der Empörung der Menschen zu erklären. Sie wollten »das Willkommensfernsehen von ARD und ZDF nicht sehen«, so Gauland wörtlich. Er kritisierte, dass die »Bedenken« der Menschen gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung in den Berichten der Sender nicht vorkäme.

»Politbarometer«: Rechtspartei AfD gewinnt vor allem im Osten an Zustimmung

Der Osten würde vermehrt rechts wählen. Dies zeigt das aktuelle ZDF-»Politbarometer«. Wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahlen wären, würde sich die Rechtspartei um einen Punkt auf neun Prozent verbessern. Damit läge fremdenfeindliche Partei noch vor der Linkspartei. Die AfD, die vor allem mit ihrer Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung auf sich aufmerksam macht, käme demnach im Osten Deutschlands sogar auf mehr als doppelt so hohe Werte wie im Westen.

Die CDU/CSU würde der Umfrage zufolge unverändert 39 Prozent der Stimmen erreichen, die SPD würde um einen Punkt auf 25 Prozent abfallen. Auch die Linke würde einen Punkt verlieren und käme auf acht Prozent. Grüne und FDP blieben unverändert bei neun Prozent und vier Prozent.

Neuer Verfassungsschutzchef schließt Beobachtung der AfD nicht aus

Dem positiven Wahltrend der rassistischen AfD steht Aussagen von Thüringens neuem Verfassungsschutzchef Stephan J. Kramer entgegen. Er hält eine Beobachtung der AfD für möglich. »Ich will nicht ausschließen, dass sich irgendwann die Frage stellt, ob der Verfassungsschutz bestimmte Teile der AfD genauer anschauen muss«, sagte Kramer dem Nachrichtenmagazin »Focus«. Innerhalb der Partei gebe es »Tendenzen, die mir Sorge bereiten«. Kramer tritt sein Amt am 1. Dezember an.

Der frühere Generalsekretär des Zentralrats der Juden kündigte einen neuen Stil im Thüringer Verfassungsschutz an. Mit Blick auf die NSU-Mordserie erklärte er, der Verfassungsschutz habe Vertrauen »in sträflichster und furchtbarster Weise verspielt«. Nun gehe es darum, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Er werde nun prüfen, welche Mitarbeiter in der Behörde bereit sind, seinen Reformkurs mitzutragen. »Für alle anderen müssen wir neue Aufgaben suchen.«

AfD-Fraktionschef will Studie verbrennen lassen

Wieviel Probleme die AfD mit der Demokratie hat, machte am Donnerstag der thüringische AfD-Fraktionschef Bernd Höcke deutlich. Er bezeichnete nach Informationen der »Thüringer Allgemeine (TZ)« eine Studie zur politischen Kultur in dem Freistaat als »linksideologisches Machwerk« und drohte mit Verbrennung der Studie. »Ich habe zu Hause einen Holzofen...«, so Höcke nach Angaben des Blattes.

Die Studie wird im Auftrag der thüringischen Landesregierung erhoben. Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) und LINKEN – Fraktionschefin Susanne Hennig-Wellsow fühlten sich nach den Aussagen Höckes an »schlimmste Ereignisse« erinnert. »Bücherverbrennungen kennen wir aus dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte«, so Ramelow gegenüber der TZ. Politiker anderer Parteien von CDU bis Grüne äußerten sich ähnlich kritisch gegenüber Höckes Aussagen. Agenturen/nd

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